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Der Auftakt. Thomas Müller trifft nach herrlicher Kombination zum 1:0 für Deutschland. Foto: dapd

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LÄNDERSPIEL: Schnell, vertikal, brillant

Die deutsche Nationalelf schlägt die Niederlande erstmals seit 15 Jahren. Das 3:0 in Hamburg ist nicht nur der zweithöchste Sieg gegen den Rivalen überhaupt – es ist eine Vorführung

So ganz lässt sich der Aberglaube wohl nicht aus dem Fußball vertreiben. Bert van Marwijk, Trainer der niederländischen Fußballauswahl, lobte nach einer Trainingseinheit seiner Mannen am Vorabend das grüne Geläuf in der Hamburger Arena über den berühmten Klee. Es sei in einem tollen Stadion ein ganz fantastischer Rasen verlegt worden, sagte der Bondscoach und schmunzelte. Der Rasen, der in der Vorwoche frisch verlegt worden war, ist aus – den Niederlanden.

Ob das nun ein Vorteil sein werde für das Spiel gegen den Erzrivalen Deutschland, wurde van Marwijk noch gefragt. Doch dieser Frage wich der geschickt aus. Man werde sehen. Und man sah es, deutlicher als vermutet. Die Deutschen nutzen den neuen Teppich und gewannen vor 51 500 Zuschauern locker und leicht mit 3:0 (2:0). Es war im 38. direkten Duell der 14. Sieg für die Deutschen bei zehn Niederlagen, und nach dem 7:0 1959 der zweithöchste. Allerdings lag der letzte Sieg der Deutschen 15 Jahre zurück. „Wir haben das Spiel dominiert“, sagte Mesut Özil, „wir wollten unbedingt gewinnen, die Niederländer hatten keine Chance.“

Nein, verlieren wollte keiner der beiden Großen des Weltfußballs das gestrige Testspiel. Diese Duelle besitzen Klassikercharakter, sie sind seit Spielergenerationen prestigeträchtig, umkämpft und aussagekräftig. Von Spielen dieser Klasse gehen Signale in die Welt. Und so war es auch gestern in Hamburg zum Abschluss dieses Länderspiel-Jahres. Die Niederländer kämpften verbissen und verloren, die Deutschen spielten und gewannen.

Ganz nebenbei konnte Deutschland seit 2005 erstmals wieder ein Länderspieljahr mit einem Sieg abrunden und blieb zum ersten Mal nach zehn Spielen ohne Gegentor. Auch anders herum wäre die Bilanz nicht wirklich getrübt worden. Die deutsche Nationalelf ist mit zehn Siegen in zehn Spielen durch die Qualifikation zur EM gegangen, Joachim Löw hat die Mannschaft noch einmal verjüngt, auf viele Positionen sind Alternativen vorhanden. Die deutsche Elf zählt nach Siegen über Brasilien und den WM-Vierten Uruguay und nun Vizeweltmeister Niederlande zu dem Besten, was der Weltfußball zu bieten hat. „Wir haben mit viel Spielfreude und Leichtigkeit kombiniert, womit die Holländer offenbar überfordert waren“, sagte Löw.

Sein Gegenüber, Bondscoach van Marwijk, musste allerdings auf prominente Namen seiner hoch gelobten Offensive verzichten: Robin van Persie wurde geschont, Arjen Robben trainierte erst seit Kurzem wieder mit dem Ball, und bei Rafael van der Vaart verhinderte ein Muskelfaserriss eine Rückkehr nach Hamburg. „Das Spiel sagt viel aus über die Kraft von Deutschland, aber nicht viel über unsere Kraft“, sagt van Marwijk. „Ein paar kreative Spieler haben uns gefehlt, das hat man gemerkt. Aber auch bei Deutschland sind Lahm und Schweinsteiger zu Hause geblieben, und trotzdem hat die Mannschaft noch ein riesiges Potenzial.“

Die deutsche Mannschaft spielte klar und behutsam, und wenn sich die Lücke auftat, ging es sehr schnell und vertikal. Nach einer Viertelstunde so zum ersten Mal zu beobachten, als Toni Kroos einen wunderbar getimten Pass auf Miroslav Klose schlug, der im Strafraum querlegte, wo Thomas Müller zur Führung vollendete. Nur zehn Minuten später war es Klose selbst, der dieses Mal als Kapitän auflief und nach eine Flanke von Mesut Özil per Kopf zum 2:0 traf. Es war Kloses 63. Tor für Deutschland.

Joachim Löw besann sich nach dem Experiment in der Ukraine vor wenigen Tagen nun in seinem 75. Länderspiel als Bundestrainer auf die klassische, taktische Grundformation mit einer Vierer-Abwehrkette und Özil hinter der einzigen Sturmspitze Klose, der in Kiew noch gefehlt hatte und gestern sein 113. Länderspiel bestritt. Im Tor stand wieder Manuel Neuer, nur der verletzte Bastian Schweinsteiger und der freiwillig von Löw freigestellte Kapitän Philipp Lahm fehlten in Hamburg. Dessen Part auf der defensiven linken Seite übernahm erneut der Hamburger Dennis Aogo.

Die Niederlande hatten dem deutschen Spiel nicht viel entgegenzusetzen. Ihr Spiel war vorhersehbarer, was vor allem daran lag, dass das zentrale Mittelfeld der Deutschen mit den spielstarken Toni Kroos und Sami Khedira besser besetzt war als das der Gäste, bei denen Mark van Bommel und Kevin Strootman mehr zerstörten denn kreierten.

Das Bild sollte sich auch in der zweiten Hälfte nicht sonderlich ändern. Das deutsche Team behielt die Kontrolle über das Geschehen, erspielte sich immer wieder gute Chancen, allein Klose vergab zweimal aus verheißungsvoller Position. Irgendwann aber verlegte sich Klose mal wieder aufs Vorbereiten. Dieses Mal drückte Özil den Querleger über die Linie, etwas mehr als eine Stunde war da gespielt, das Spiel war entschieden und Löw brachte Mario Götze, Benedikt Höwedes, Simon Rolfes und Marco Reus.

Für die Niederländer ging es fortan nur noch darum, nicht ganz ihr Gesicht zu verlieren. Das Hamburger Publikum besang bereits das Nachhausefahren der Gäste, es herrschte eine heitere Vergnüglichkeit im Rang, ein „Oh, wie ist das schön“ hat man lange nicht mehr gehört gegen eine Mannschaft wie die Niederländer, vielleicht auch noch nie.

IN HAMBURG

DEUTSCHLAND – NIEDERLANDE 3:0 (2:0)

Deutschland:
Neuer - Boateng (65. Höwedes), Mertesacker, Badstuber (46. Hummels), Aogo - Khedira (88. Lars Bender), Kroos (82. Rolfes) - Müller, Özil, Podolski (65. Gomez) - Klose (82. Reus).

Niederlande: Stekelenburg - van der Wiel, Heitinga, Mathijsen, Braafheid - van Bommel, Strootman (64. Nigel de Jong) - Kuyt (87. Wijnaldum), Sneijder (87. Luuk de Jong), Babel - Huntelaar (76. Beerens).

Schiedsrichter: Cakir (Türkei). Zuschauer: 51 500 (ausverkauft). Tore: 1:0 Müller (15.), 2:0 Klose (26.), 3:0 Özil (66.).

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