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Armstrong

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Lance Armstrong: Ein Mann, größer als jedes Gesetz

Selbstbewusst bis arrogant war Armstrong bereits in der Ära seiner sieben Toursiege. Das hat sich bis heute nicht gebessert.

In alten Zeiten durfte in Texas Recht sprechen, wer den größten Colt besaß. Später wurde die Höhe des Bohrturms zur maßgeblichen Instanz. Heutzutage glaubt der Texaner Lance Armstrong, seine eigene Rechtsprechung einführen zu können, nur weil er sieben Jahre lang auf einem aus Kohlenstoff gepressten Rad bessere Ergebnisse erzielte als alle anderen. Armstrong interpretiert das Dopingreglement zu seinen Gunsten. Er trainiert nicht – wie vom Weltverband UCI vorgeschrieben – in der Rennkleidung seines Teams. Er beschimpft ins Journalistenlager gewechselte Ex-Kollegen wie Greg LeMond und übt Psycho-Druck auf aktuelle Teammitglieder aus. Bei der dritten Etappe der Tour de France fuhr er sogar gegen seinen etatmäßigen Kapitän Alberto Contador und setzte sich teamintern einfach selbst an die erste Position. Bei der gestrigen vierten Etappe harmonierte Armstrongs Astana-Team nach außen hin wieder und gewann das Mannschafts-Zeitfahren.

Selbstbewusst bis arrogant war Armstrong bereits in der Ära seiner sieben Toursiege. Doch damals wurde sein kalkuliert anmaßendes Auftreten noch von seiner Leistung gedeckt – auch wenn spätere Nachproben gezeigt haben, dass sie unerlaubt unterstützt worden war. Armstrong war eingebunden in sein Metier, denn wer die Tour gewinnen will, muss sich deren geschriebenen und ungeschriebenen Regeln unterordnen. Nach seinem Rücktritt vom Rücktritt scheint der Mann aus Texas aber keiner Konvention mehr verpflichtet. Er ist, was Amerikaner gern „lose gun“ nennen: Eine aus der Verankerung gerissene Kanone, die wild über das Deck schlingert. Prominentestes Einzelopfer ist Armstrongs Teamgefährte Contador. Bemerkenswerter aber ist, dass die wenigen noch verbindlichen Regeln des Profiradsports vom Amerikaner nach Gutdünken außer Kraft gesetzt werden.

Er konnte etwa die Kontrollfrist von sechs Monaten, die jeder Rückkehrer vor seinem ersten Start einhalten muss, um jene Tage verkürzen, die ihm einen Start bei der Tour Down Under ermöglichten. Die UCI, die sonst streng darauf achtet, dass die Rennställe die Fahrer bezahlen, lässt zu, dass Armstrong der Astana-Welt als Einzelunternehmer assoziiert ist. Eine 20-minütige Verspätung bei der Abgabe einer Dopingprobe, die gewöhnlich zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens führt, wurde Armstrong verziehen. Jean-Pierre Verdy, der Chefermittler der französischen Anti-Doping-Agentur, erklärte der Tageszeitung „L’Humanité“ dazu: „20 Minuten reichen aus, um eine Infusion zu machen und die Spuren von Doping zu beseitigen. Das weiß jeder Arzt.“ Zuletzt kam Armstrongs Equipe auch zum Einschreiben bei der Tour zu spät.

Die Instanzen, die Armstrong bremsen müssten, profitieren von seiner Präsenz. „Armstrong bedeutet Aufmerksamkeit. Das ist gut für den Radsport“, sagt UCI-Präsident Pat McQuaid. Solange Armstrong Medien- und Sponsoreninteresse auslöst, darf er tun, was er will. Und sich vor allem selbst nützen. Denn bei der Tour macht Armstrong vor allem Werbung für seine Krebsstiftung. Sie soll der Start seiner politische Karriere werden. Kaum vorstellbar, dass sich ein Politiker Armstrong später an Regeln halten wird.

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