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© dpa

Lars Kaufmann: Rausgeworfen, reingeworfen

Lars Kaufmann war schon aussortiert. Nun steht und fällt mit ihm das Spiel des Handball-Nationalteams.

„Genau so geht das“, brüllte ein Fan, doch Lars Kaufmann hörte das im Jubel wahrscheinlich nicht. Mit einer seiner Wurfraketen, die in der Regel die 120-km/h-Grenze überschreiten, hatte er gerade das 1:0 für Deutschland im EM-Auftaktspiel gegen Polen erzielt. Der EM-Start schien in diesem Augenblick geglückt, und die Überzahl an Deutschen auf den Rängen in der Innsbrucker Olympiahalle hätten sich nicht vorstellen können und wollen, dass am Ende Polen mit 27:25 siegen würde und das Spiel am Mittwoch gegen Slowenien (nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe) schon zum ersten Endspiel werden würde. Auch der 27-jährige Kaufmann nicht, der nach seinem 86. Länderspiel nur der Abwehr ein Lob zollte: „Da waren wir gut, darauf müssen wir jetzt aufbauen.“

Dass der Halblinke von Frisch Auf Göppingen im Angriff nichts Positives sah, darf man auch als Selbstkritik werten. Kaufmann war zwar mit sieben Treffern der erfolgreichste deutsche Werfer, aber dafür hatte er auch 18 Wurfversuche benötigt. „Er nimmt sich einfach zu viel davon“, kritisierte Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning, der Kaufmann gut aus der Bundesliga kennt. Kaufmann hatte eben alles versucht, wollte viel Verantwortung übernehmen und musste letztlich doch die Niederlage mit verantworten.

Der Mann mit dem Gel im Haar, der vielfach auch als bloßer Kraftprotz eingestuft wird, dem es an Strategie und Cleverness mangelt, hat bei dieser EM erstmals eine besondere Verantwortung als Ersatz für den pausierenden Pascal Hens zu tragen. Und so rackerte der BWL-Student, der in der Handball-Bundesliga die Torschützenliste mit 124 Treffern anführt, auch dementsprechend motiviert über 60 Minuten. Durchaus mit der moralischen Unterstützung durch Bundestrainer Heiner Brand, der ihm zuletzt bescheinigte: „Mit seiner Entwicklung bin ich sehr zufrieden, er macht sich immer Gedanken, es bereitet mir Spaß, mit ihm zu arbeiten.“ Das war nicht immer so: Nach der EM 2008 in Norwegen hatte ihn Brand aus der Nationalmannschaft geworfen, er vermisste Willen und Qualität gleichermaßen. „Das war schon hart“, sagt Kaufmann heute, doch längst hat der Bundestrainer eine andere Meinung über ihn: „Lars ist einer, der im Training alles gibt.“

Mittlerweile steht und fällt mit seiner Leistung die deutsche Nationalmannschaft. Doch es fällt Kaufmann, der einst im sächsischen Delitzsch das Handballspielen erlernte, nicht leicht, den neuen Erwartungen und seinem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Dafür fehlt es im Team auch zu sehr an Entlastung für ihn, auf der Mittelposition zum Beispiel und auf Halbrechts.

Ein Spieler, der Kaufmann mal entlasten könnte, ist Sven-Sören Christophersen. Der Wetzlarer wird im Sommer zu den Füchsen Berlin wechseln und stellt einen völlig anderen Handballer-Typ dar. Gegen Polen hatte sich Heiner Brand aber nicht getraut, den zwar auch wurfstarken, aber doch eher technisch agierenden Christophersen für Kaufmann einzuwechseln. Die Physis, die Erfahrung des Weltmeisters sollten es gegen die kampfstarken Polen allein im linken Rückraum richten. „Meine Zeit kommt aber bestimmt noch“, sagte Christophersen.

Vorerst richten sich die Blicke der Fans – mangels Alternativen – aber erst einmal auf Lars Kaufmann. Alle wissen sie doch, Fans und auch das Team, wenn er nicht funktioniert, wird diese EM-Mission 2010 ohne Erfolg bleiben. Auch deshalb wird jedes Kaufmann-Tor so sehr gefeiert, wird ihm eine schlechte Wurfquote mehr verziehen als anderen. Das sagt genug über seinen Status im Team und bei den Fans.

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