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Stephane Franke bei den Leichtathletik-Europameisterschaften in Budapest 1998.

© dpa

Update

Lauf um Anerkennung: Zum Tod von Stephane Franke

Stephane Franke war zweimal EM-Dritter über 10.000 Meter, doch wahrgenommen wurde er als verbissener Rivale von Dieter Baumann. Mit 47 Jahren ist Franke nun gestorben. Ein Nachruf.

Rund 1500 Meter vor dem Ziel sah Stephane Franke, dass er keine Chance mehr hatte. Antonio Pinto, der Portugiese, war einfach zu stark, mit seinem Tempo konnte der Deutsche nicht mehr mithalten. Gold über 10 000 Meter war also kein Thema mehr, aber eine Medaille, die wollte Franke unbedingt. Also pumpte er all seine verbliebenen Kräfte in seinen hageren Körper, weil da noch genügend Gegner waren. Am Ende hatte er sie, die Medaille. Bronze. Stephane Franke aus Plattenhardt bei Stuttgart war bei der EM 1998 Dritter geworden. Er war 34 Jahre alt, niemand hatte ihm diesen Erfolg noch zugetraut. Er war 30, als er schon mal EM-Dritter über 10 000 Meter geworden war, nach einem furiosen Schlussspurt gegen den Slowaken Robert Stefko.

Fans, Medien, Funktionäre, sie alle hätten diesen überraschenden Erfolg nun angemessen würdigen können, als Zeichen des Respekts vor der Leistung des Außenseiters. Aber dieses Bronze wurde eher hingenommen als gefeiert. Das lag auch an dem erschöpften, hageren Mann, dem Franke kurz nach dem Rennen müde einen Klaps auf die Schulter drückte: Dieter Baumann. Der hatte Silber geholt.

Es war eine gewisse Tragik im Leben des Stephane Franke, dass er in seiner stärksten Rolle nur unzureichend wahrgenommen wurde: als hervorragender Langstreckenläufer, Spezialist über 10 000 Meter. Franke war 1993 WM-Vierter, zweimal EM-Dritter, 1994 Weltcup-Vierter, 1993 und 1994 Europacup-Zweiter, in seinen schnellsten Rennen benötigte er 13:03,76 Minuten für 5000 Meter und 27:48,88 Minuten für 10 000 Meter. Bei der WM 1993 in Stuttgart ging er von Anfang an das höllische Tempo der Ostafrikaner mit, am Ende wurde er Vierter. Die Fans hatten ihn frenetisch angefeuert. Eine Momentaufnahme, die ein paar Minuten einen Eindruck suggerierte, der mit der Wirklichkeit wenig zu tun hatte.

Stephane Franke lief nie dauerhaft in die Herzen der Fans. Zuschauer wollen mitfiebern, mitleiden, sie wollen ausflippende Sieger und weinende Verlierer sehen. Dieter Baumann gab ihnen die Emotionen und 1992 den Olympiasieg, sie dankten es mit Zuneigung. Franke aber inszenierte sich als intellektueller Gegenentwurf zu Baumann. Er dozierte, die Fingerkuppen sanft aneinandergelehnt, über sein Marketing-Studium in den USA, über die vier Sprachen, die er beherrscht, über seine Sponsoreneinnahmen.

Franke verstand diese Auftritte als PR-Mittel, aber er fiel vor allem auf, weil er Baumann zunehmend zum Feindbild aufbaute. Zeitweise hatten der Olympiasieger und er die gleiche Trainerin, die spätere Frau Baumann. Irgendwann, sagte sie zu Frankes Baumann-Fixierung, „sind es schon krampfartige Zustände“.

Zu Frankes Image gehörte zunehmend auch der Touch des Unseriösen. Er stand im Verdacht, Baumanns Zahnpasta mit einem Dopingmittel manipuliert zu haben. Franke dementierte empört. Er stand im Verdacht, aus Rache das legendäre Istaf-Fax geschrieben zu haben. Das Fax ging an den Weltverband IAAF und torpedierte erfolgreich Berlins Bewerbung für die WM 2005. In dem Fax wurde Berlin vorgeworfen, die Stadt tue nichts, um das finanziell angeschlagene Meeting Istaf zu retten. Franke war zu der Zeit Istaf-Sportdirektor. Franke dementierte heftig, aber seinen Job war er kurz darauf los.

Der Läufer Franke hatte zeitweise den Italiener Francesco Conconi als Trainer, der immer wieder mit Dopingmethoden in Verbindung gebracht wurde. Der Läufer Franke trainierte 1998 aber auch zeitgleich den 3000-Meter-Hindernisläufer Damian Kallabis. Der wurde 1998 sensationell Europameister. Nach wochenlangem Zögern gestand Franke, dass er Kallabis bei der EM eine Injektion des Blutverdünners HES habe verabreichen lassen. HES steht zwar nicht auf der Dopingliste, aber es könnte auf die Einnahme des Dopingmittels Epo hinweisen. Franke wies jeden Dopingverdacht empört zurück und sprach von „Hexenjagd“.

In den vergangenen Jahren zog sich der Mann, der im persönlichen Kontakt sehr umgänglich und sehr zuvorkommend auftreten konnte, zwar nicht aus der Öffentlichkeit zurück, aber er hielt sich dort in der zweite Reihe auf. Franke, der zuletzt in Potsdam-Caputh lebte, schrieb Laufbücher und kommentierte bei Eurosport Leichtathletik-Meetings.

Stephane Franke ist am vergangenen Donnerstag einem Krebsleiden erlegen. Er wurde 47 Jahre alt.

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