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Sport: Lauter Delikatessen

NBA-Profis auf PR-Reise durch Europa

Paris. Flanieren durch das Pariser Stadtviertel Montmartre, Kunstgenuss im Louvre, das Erinnerungsfoto am Eiffel-Turm und ein Tagesausflug samt Weinprobe in der schönen Champagne: So lässt sich für Gregg Popovich, Weinliebhaber und nebenbei hauptamtlicher Trainer von NBA-Meister San Antonio Spurs, eine Reise nach Europa samt Vorbereitungsspiel wahrlich aushalten.

Die nordamerikanische Profibasketball-Liga war erstmals nach vier Jahren Pause wieder mit einem so genannten Exhibition Game nach Europa gekommen. Im tiefer gelegten und zugewachsenen Pariser Hallenkomplex „Palais Omnisports“ trafen der amtierende NBA- (und damit auch Weltmeister) San Antonio Spurs und die Memphis Grizzlies aufeinander. Wie aus solch einer Stippvisite langfristig ein Dauerbesuch mit sportlichem Wert werden könnte, erläuterte NBA-Commissioner David Stern, der seit Jahren einen „aggressiveren Einsatz“ seiner Liga in Europa anstrebt, am Rande der Begegnung.

Die NBA will eigene Mannschaften schicken und keinen europäische Ableger gründen. Die mit diesem Schritt auftretenden obligatorischen Bedenken gegen Reisestrapazen und Sprachprobleme zerstreute der Ligapatron gleich: „Basketballer bekommen das genauso gut hin wie Tennisspieler.“ Und auch Memphis-Profi Shane Battier hatte erklärt: „Wenn die Trips zwei bis drei Wochen dauern und nicht nur ein paar Tage, spielen wir auch hier problemlos auf NBA-Niveau.“

Was die Mannschaften aus der neuen Welt derzeit und auch noch auf längere Sicht vom regelmäßigen Besuch Europas abhält, ist die fehlende Infrastruktur nach US-Vorbild. „Die durchgehend modernen Arenen fehlen noch, außerdem Fans, die nicht nur ein Vorbereitungsspiel, sondern 41 Heimspiele besuchen. Auf einer Skala 1 bis 10 sind wir bei 5 angekommen“, sagte David Stern. „Es ist noch ein langer Weg. Wir können gemeinsam davon träumen, aber vor dem Ende des Jahrzehnts wird das nichts.“ In Deutschland erwähnte der Commissioner die positive Entwicklung in Köln, Hamburg und Oberhausen, und für eine Arena in Berlin seien mit dem Unternehmen Anschutz Entertainment Gespräche geführt worden.

Regulären Saisonspielen, wie Ende Oktober in Japan angesetzt, erteilte David Stern für Europa ebenso wie der Wiederauflage des Turniers „McDonalds Open“ eine Absage. „Aufwand und Kosten sind einfach zu hoch“, sagte er. Zur Überbrückung, so lautet aber zumindest eine Idee, könnten NBA-Mannschaften zukünftig, vielleicht schon ab 2005, ihre Saison-Vorbereitung in Europa absolvieren.

Diese Vorlage nahm San Antonios Trainer Gregg Popovich gerne auf. „Großartige Sache, da bin ich in einer Minute wieder hier“, sagte er nach dem 105:93-Sieg seiner Mannschaft, bei dem der ausgeruhte Meister – Programm siehe oben – auch von dem strapazenreichen Alternativprogramm seines Gegners profitierte. Die Grizzlies hatten am Montag in Memphis ihr Vorbereitungsspiel gegen die Milwaukee Bucks gewonnen, waren am Dienstag in Paris angekommen, um noch in der Nacht nach dem Duell mit den Spurs nach Barcelona zu reisen, wo sie heute gegen Euroleague-Champion FC Barcelona spielen.

Trotz dieser Belastung hielten die Durchreisenden bis zur 30. (55:59) der 48 Minuten mit. Dann drehte vor heimischer Kulisse Spurs-Aufbauspieler Tony Parker auf. Vor sechs Jahren hatte er noch als Zuschauer bei den McDonalds Open in Paris Michael Jordan angefeuert. Dieses Mal beklatschten die 14 480 Zuschauer, darunter die Fußball-Nationalmannschaft mit Zidane, Lizarazu und Barthez, ihren „La Saint Tony“ (L’Équipe), der dank 19 Punkten „wertvollster Spieler des Abends“ wurde. Wäre sein Trainer Gregg Popovich nicht an der französischen Sprachbarriere gescheitert, hätte der Aufbauspieler noch ein paar Kunststücke mehr zeigen können. „Tony, Tony, Tony“ forderten die Fans in den letzten Spielminuten den Einsatz ihres Landsmannes. „War es das, was sie gerufen haben?“, fragte Popovich, phonetisch überfordert, nach dem Spiel. Nach seinem genussreichen Abstecher in die französischen Provinz sollte Popovich das künftig nicht mehr passieren.

Thorsten Schabelon

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