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Sport: Lebe lieber unauffällig

Eisschnellläuferin Jenny Wolf hat Probleme mit ihrem sportlichen Aufstieg

Berlin - Sie hätte sich gerne gedrückt vor dem Termin, aber das ging nicht. Sie musste in diesen Bürokomplex, obwohl sie sich in solchen Gebäuden verloren fühlt. Und, schlimmer noch, sie sollte mit einem fremden Menschen locker reden. „Dafür bin ich nicht der Typ“, sagt Jenny Wolf. Aber in einem der Büros wartete der Berliner Filialleiter ihres Erfurter Sponsors. Der Vertrag mit der Eisschnellläuferin Wolf sollte verlängert werden, verbunden mit Smalltalk. Als sie den Vertrag abschloss, 2001, da musste sie nicht reden. Die Sporthilfe hatte ihr eine Energie-Service-Firma vermittelt, den Kontrakt erhielt sie mit der Post, sie musste ihn nur unterschrieben zurücksenden. Das Gespräch mit dem Filialleiter war dann aber doch „ganz nett“, und nach 30 Minuten verschwand Jenny Wolf wieder in der Unauffälligkeit.

2004 war das, und der größte Erfolg der Sprinterin war bis dahin Platz vier bei der WM. Doch in dieser Saison hat die Berlinerin zwei Weltcup-Rennen über 500 Meter gewonnen. Sie führt in der Weltcup-Gesamtwertung und gilt als Aufsteigerin der Saison. Sie ist im Sprint Favoritin bei der deutschen Mehrkampf-Meisterschaft in Erfurt, die heute beginnt. Vor allem aber hat sie ein Problem: „Ich weiß nicht, ob es mein Interesse ist, dass nun viele auf mich schauen. Ich bin lieber unbeobachtet.“ Das ZDF hat sie für ein Porträt gefilmt, Zeitungsreporter wollen mit ihr reden, aber Jenny Wolf hat ihre Rolle in diesem Spiel noch nicht gefunden.

Sie zeigt das schon mit ihrer Körpersprache. Die 26-Jährige sitzt in einer Halle im Sportforum Berlin, das rechte Bein angewinkelt, und mit der linken Hand umklammert sie so verkrampft den rechten Knöchel, als suchte sie verzweifelt Halt. Und wenn sie redet, ist der Blick oft unsicher.

Sie war eine Nebenfigur in der Welt der Eisschnellläuferinnen, und es hat ihr gefallen. Sie war zu still, um beim Streit zwischen Friesinger und Pechstein einzugreifen, sie war nicht gut genug, um neben ihren Sprint-Gegnerinnen Monique Garbrecht-Enfeldt und Sabine Völker durch Resultate aufzufallen. Ihr Sponsor wollte ihr mal einen Auftritt vor Managern vermitteln, sie sollte über ihren Sport reden. Der Termin kam nie zustande. Nicht mal der Sponsor selbst hat die Literaturstudentin für einen PR-Termin verpflichtet. Sie hat nie nach dem Grund gefragt, es hat sie aber auch nie gestört. „Ich gehe zu Wettkämpfen und zur Uni, das reicht mir“, sagt sie.

Jetzt reicht das nicht mehr. Garbrecht-Enfeldt hat aufgehört, Völker ist außer Form, und Jenny Wolf hat sich technisch verbessert. Das alles hat sie ganz nach oben gebracht. Die Sprinterin hat sogar einen Manager, der könnte sie besser bei potenziellen Sponsoren verkaufen. Doch da lehnt sich Jenny Wolf zurück, eine Abwehrhaltung. „Mein Ziel ist es nicht, viel Kohle ranzuschleppen“, sagt sie. Neue Sponsoren bedeuteten mehr Termine, „das brauche ich nicht“.

Wenn sie mit Sport Geld verdient, genügt ihr das. Ein Weltcupsieg bringt 750 Dollar Prämie, Platz vier immer noch 300 Dollar. Früher empfand sie Prämien als etwas Besonderes, sie war nie sicher, dass sie erneut welche gewinnen würde. Deshalb leistete sich Jenny Wolf auch nichts Außergewöhnliches. Im November wurde sie beim Weltcup in Salt Lake City wieder Vierte, aber sie lief persönliche Bestzeit über 500 Meter (37,88 Sekunden), und da wusste sie, dass sie in besserer Form ist als sonst. Und dass sie weitere Prämien gewinnen wird. Danach kaufte sie einen Computer. „Das habe ich mir einfach geleistet.“ Für Jenny Wolf ist er das Symbol, dass sie ganz oben angekommen ist. Ihr reicht das.

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