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Sport: Leere Plätze, dunkle Kanäle

Ausgerechnet in der K.-o.-Runde gelingt es nicht mehr, die Tickets an den Fan zu bringen. Schuld ist ein kompliziertes Voucher-System

Die Schilder mit den flehentlichen Aufschriften waren ein vertrautes Bild in Wien. „I need tickets“, stand auf Pappen, die kroatische, polnische, aber auch deutsche Fans zwischen Prater und Hofburg trugen. Vor allem die Karten für die Vorrundenspiele waren heiß begehrt und meist überteuert. Doch ausgerechnet vor den entscheidenden K.o.-Spielen hat sich das Bild in Wien komplett gewandelt. Selbst wer ohne Fankleidung in Restaurants oder Cafés am Opernring sitzt, wird von Schwarzmarkthändlern angesprochen. „Do you need tickets?“

Es ist nicht schwer vorherzusagen, dass heute Abend in Wien vor dem Halbfinale Russland gegen Spanien an der Endstation der U-Bahnlinie 2 wieder Hunderte Personen bündelweise blaue Karten in die Luft recken, wie schon am Sonntag zum Viertelfinalspiel Spanien gegen Italien. Wer Geduld hatte, bekam die Tickets zum Schnäppchenpreis: Die einst so begehrten Karten wurden für 50 Euro verschleudert.

Zwei Stunden vor Spielbeginn wagten die Händler nicht mehr, das Doppelte des ursprünglichen Preises zu verlangen. Selbst in den teuren Kategorien waren Karten, die regulär 120 Euro gekostet hatten, plötzlich für 150 Euro zu haben. Schuld an den Problemen ist ein scheinbar für manche Verbände zu kompliziertes Voucher-System. Alle für das Viertelfinale qualifizierten Teilnehmer sollen Gutscheine vergeben, die bei Weiterkommen eingelöst werden können. Während Deutsche, Niederländer oder mit Abstrichen auch die Spanier die Kartenabgabe an registrierte Interessenten problemlos organisierten, hat es bei Russen und Italienern arg gehakt. Etliche Voucher wurden gar nicht eingelöst, offenbar sind auch Pakete in dunklen Kanälen verschwunden. „Wir haben mit dem russischen Verband gesprochen und gehen davon aus, dass keine Plätze frei bleiben“, sagt Uefa-Sprecher Wolfgang Eichler. Die italienische Föderation ersparte sich durch die vorzeitige Abreise eine Maßregelung.

Trotz der Schnäppchenpreise blieben fast 500 Sitze im Viertelfinale gegen Spanien leer, vornehmlich im italienischen Block, Nun werden zum heutigen Halbfinale ebenso so große Lücken in den russischen Sektoren erwartet, wie sie schon beim Viertelfinal-Spiel der Russen gegen die Niederlande aufgetreten waren. Die Uefa hat das russische Kontingent jetzt kurzerhand von ursprünglich geplanten 6200 auf 4000 Tickets reduziert. Aber auch das sind vermutlich noch zu viele, denn der Ansturm der Russen in Wien macht zwar die Edelboutiquen und Juweliergeschäfte glücklich, nicht aber die Uefa-Verantwortlichen. Die haben den russischen Verband bereits verwarnt.

Ansonsten ist die Uefa weniger streng. Security-Leute und die Polizei geben sich vor den Eingängen seit dem ersten Spiel in Wien keine erkennbare Mühe, den Schwarzhandel zu unterbinden. Warum auch? Im Gegensatz zur WM 2006 sind die EM-Tickets nicht personalisiert, und ein in Deutschland anfangs sehr umstrittenes WM-Options-Ticketprogramm wurde in der Schweiz und in Österreich nicht installiert, weil man an die Selbstregelung des Marktes glaubte. Doch das könnte ein Trugschluss sein, da offensichtlich der russische Verband gar kein Interesse zeigt, nicht benötigte Kontingente zurückzugeben. Möglicherweise werden nun heute kurzfristig Karten am Wiener Volkstheater verkauft. Ganz sicher gibt es aber genug erschwingliche Offerten vor dem Ernst-Happel-Stadion, was zur Freude deutscher Anhänger auch für ein mögliches Finale gegen Russland am Sonntag gelten dürfte.

Dabei wurden noch vor wenigen Wochen im Internet Unsummen für Endspiel-Tickets verlangt und bezahlt. Ein deutscher Anbieter gab damit an, dass er vier Karten für 13 500 Euro veräußert hatte. Die 1,1 Millionen Tickets galten bis kurz vor Turnierbeginn als Rarität. Die Uefa zieht aus den Vorfällen bereits ihre Lehren für die EM 2012: Das System der Ticketvergabe in Polen und der Ukraine soll noch flexibler werden.

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