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Stefan Chatrath

© Promo

Leere  Zuschauerränge: „Eine ausverkaufte Arena ist nicht profitabel“

Bei fast allen Wettkämpfen sieht man halbleere Zuschauerränge. Ein ausverkauftes Stadion würde sich für die Veranstalter auch gar nicht lohnen, sagt Professor Stefan Chatrath.

Herr Chatrath, in Rio bleiben auffällig viele Zuschauerränge leer. Selbst bei Top-Events wie Usain Bolts Läufen waren freie Plätze zu sehen. Können Sie das als Ticketing-Experte erklären?

Das kann mehrere Gründe haben. Zum einen beträgt die No-Show-Rate von Zuschauern, die trotz erworbenen Tickets nicht auftauchen, mindestens fünf Prozent. Das kann dieses Jahr noch höher sein, denn Südamerika ist weit weg von den großen Sportnationen aus Europa. Und die Angst vor dem Zika-Virus hat vielleicht noch einmal viele Frauen vom Besuch abgehalten.

Spielen die Ticket-Preise in Rio eine Rolle? Sind sie zu hoch?

Die billigsten Karten kosten 11 Euro. Wenn man das auf die Kaufkraft in Brasilien umrechnet, wären das 45 Euro. Das wäre für Deutsche noch bezahlbar. Aber 50 Prozent der Tickets kosten umgerechnet über 80 Euro. Das wäre auch für uns viel Geld.

Hat sich das IOC mit der Preisgestaltung verkalkuliert?

Die Ticketing-Einnahmen machen eigentlich nur fünf Prozent der IOC-Einnahmen aus. Und laut der eigenen Regularien sollen Olympia-Tickets zwar wirtschaftlich verkauft werden, aber auch dem Volk Zugang zum Sport ermöglichen und ihn verbreiten. Doch sicher gibt es auch dort intern Fraktionen, die sich widersprechen.
War der Olympia-Veranstalter zu gierig und macht nun Verlust?

Das muss nicht sein. Man erzielt meist maximalen Profit, wenn nicht alle Plätze belegt sind, aber die Preise hoch waren. Ein ausverkauftes Stadion heißt oft nur, dass die Tickets zu billig waren.

Aber wie kann es sein, dass 200 deutsche Tennis-Fans keine Karten für das Kerber-Finale bekamen und der Oberrang leer war?

Oft bekommen die Sponsoren Kontingente, die sie nicht nutzen oder losbekommen, durch Gewinnspiele oder an Geschäftskunden. Da schrecken aus Compliance-Aspekten heute viele zurück.

Könnte man diese Tickets nicht wieder in den Verkauf geben?

Das IOC hat ja ein Wiederverkaufsportal, aber bewirbt es offenbar zu wenig. In Wimbledon gibt es Boxen, in die können Zuschauer, die früher gehen, ihre Karte werfen. Dann kann sie ein anderer nutzen. Aber so ein System müsste vorher eingerichtet werden.

Was könnte das IOC denn anders oder besser machen?

Zum Beispiel zuerst die Plätze verkaufen, die im Fernsehen zu sehen sind. Und mehr Preis-Kategorien als nur drei. Teure Plätze könnten die billigen subventionieren, die mehr Stimmung machen.

Stefan Chatrath (39) ist Professor für Sportmarketing a der BiTS-Sporthochschule in Berlin und berät Vereine beim Ticketing.

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