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© dpa

Leichtathletik: Schumann hat den Anschluss verpasst

Der frühere Olympiasieger Nils Schumann läuft bei den deutschen Meisterschaften nur noch hinterher.

Achtung, es läuft ein Olympiasieger, der letzte derzeit aktive in der deutschen Leichtathletik! Nils Schumann steht am Start für den 800-Meter-Lauf, und die Zuschauer im Erfurter Steigerwaldstadion jubeln ihm begeistert zu, als wollten sie ihm Beine machen. Er ist schließlich einer von ihnen, ein Thüringer. Sie feuern ihn auch im Rennen an, aber nicht wie einen Olympiasieger, der seine Bestzeit verbessern will. Es ist ein Anfeuern, um Schlimmeres zu verhindern. Schumann kann im Finale der deutschen Meisterschaft nicht mithalten. Er wird Letzter.

Schon vor der letzten Kurve laufen ihm die Konkurrenten davon, auf der Zielgeraden kann er den Rückstand noch ein bisschen verkürzen, mehr aber nicht. Als er ins Ziel trudelt, lacht vorne schon der Sieger Moritz Höft vom Berliner Klub LG Nord, er absolviert neben dem Sport ein Medizinstudium.

Schumanns Beruf war vor wenigen Jahren noch Olympiasieger. Davon konnte er gut leben. Wie viel gab es davon schon in Deutschland im Laufen? Und dann war es Schumann auch noch auf der 800-Meter-Strecke geworden, bei der gleichermaßen Athletik und Taktik gefordert sind. Schumann schien der Erbe von Willi Wülbeck zu sein, dessen deutscher Rekord von 1:43,65 Minuten nun schon 14 Jahre besteht. Doch statt Athletik und Taktik haftet Schumann vor allem Tragik an. Mehr als fünf Sekunden langsamer als bei seiner Bestzeit war Schumann am Sonntag, 1:49,69 brauchte er. „Naiv“ sei es von ihm gewesen, jetzt schon von sich zu erwarten, wieder vorne mitzurennen, sagt er hinterher.

Nils Schumann hat viele Verletzungen hinter sich, aber die Tragik seiner Karriere liegt auch am eigenen Ungeschick. 2004 suchte er sich als Trainer Thomas Springstein aus. Der hatte schon zu jener Zeit einen zweifelhaften Ruf, weil er sich ständig in der Grauzone zwischen Erlaubtem und Verbotenem aufhielt und manchmal auch auf die falsche Seite sprang. Im vergangenen Jahr wurde Springstein dann wegen Dopings einer Minderjährigen zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Schumann hat sich von ihm distanziert, vielleicht noch rechtzeitig.

Ein Schatten aber bleibt auf dieser Episode, zumal Schumanns ehemaliger Manager Jos Hermens dieser Zeitung sagte, dass auch Schumann in Behandlung beim spanischen Arzt Miguel Peraita war, mit dem sich Springstein intensiv über Doping austauschte, bis hin zum Gen-Doping. So richtig daran erinnern konnte sich Schumann aber nicht.

Immerhin, ein Verfahren wegen Dopingverdachts hat der Deutsche Leichtathletik-Verband mittlerweile gegen Schumann eingestellt. Genauso wie gegen die 400-Meter-Hürdenläuferin Ulrike Urbansky, auch sie hatte bei Springstein trainiert. Doch während sie in Erfurt Deutsche Meisterin wurde und zum Aufgebot für die Weltmeisterschaften in Osaka Ende August gehören wird, läuft Schumann hinterher – den Gegnern und seiner Form von einst.

Woher er den Glauben nimmt, noch einmal den Anschluss zu finden, das ist nicht ganz klar. „Ich bin mehrfach Zeiten von 1:44 gelaufen. Diese Zeit und das Talent sind noch in mir. Das muss nur wieder geweckt werden“, sagt der 29 Jahre alte Athlet, der inzwischen für die LG Eintracht Frankfurt startet. Er glaubt wohl an den ganz gewöhnlichen Weg. „Ich brauche einfach die Wettkämpfe, um wieder reinzukommen“, sagt er. Vielleicht hofft er, dass sich irgendwo vor ihm eine Lücke auftut, durch die er hindurchschlüpfen kann nach an die Spitze des Feldes. So wie 2000 bei seinem Olympiasieg in Sydney.

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