zum Hauptinhalt
Bolt patzt, die Welt guckt zu. Der Fehlstart des Sprintstars verschaffte der Leichtathletik-WM mehr Aufmerksamkeit als der erwartete Sieg des Jamaikaners.

© dapd

Leichtathletik: „Usain Bolt ist ein Glücksfall“

Helmut Digel, Ratsmitglied beim Weltverband IAAF, über den Megastar der Leichtathletik, den Segen eines Fehlstarts und das unattraktive Daegu

Herr Digel, mit dem Fehlstart von Sprintstar Usain Bolt hatte die Leichathletik-WM ihren bisher spektakulärsten Moment. Nun ist zu hören, dass der erste Fehlstart künftig nicht mehr automatisch zum Ausschluss führen soll. Will der Leichtathletik-Verband die Regel ändern?

Nein, sicher nicht. Wir machen ja die Regeln nicht nur für die Stars, sondern für alle Athleten. Die Fehlstart-Regel wurde nach ihrer Einführung im Januar 2010 von Verbänden und Athleten sehr gut angenommen. Auch Usain Bolt ist mit der Regel erfolgreich gelaufen. Es gibt also keinen Grund, etwas zu ändern.

Ein Grund wäre, dass der Star der WM disqualifiziert wurde.
So schade es ist: Durch diesen Fehlstart hat die Leichtathletik weltweit eine Aufmerksamkeit bekommen, wie wir sie nie erhalten hätten, wenn Usain Bolt gewonnen hätte. Die Meldung von der Disqualifikation war eine solche Sensation, dass sie sofort weltweit überall publiziert wurde.

Was wäre die Leichtathletik ohne Bolt?
Ohne Frage ist Usain Bolt ein Glücksfall für die Leichtathletik. Man darf diese Megastars aber nicht überbewerten und denken, es ginge nicht weiter, wenn sie nicht mehr dabei sind oder aufhören.

Nach Usain Bolts Zwischenlauf haben die Menschen aber in Scharen das Stadion verlassen, obwohl andere Wettbewerbe noch liefen.
Die Zuschauer sind zu sehr auf Usain Bolt fokussiert. Das liegt auch daran, dass er nicht nur sehr schnell läuft, sondern auch den Part des Entertainers spielt. Ich denke, wir haben in der Leichtathletik auch noch andere, die die Rolle eines Stars besetzen könnten. Diskuswerfer Robert Harting gehört mit Sicherheit dazu. Aber auch Speerwerferin Christina Obergföll. Wir müssen versuchen, solche Athleten besser aufzubauen und darzustellen.

Man hat in Daegu den Eindruck, dass bei diesen Weltmeisterschaften weniger internationale Zuschauer im Stadion sind als bei früheren Weltmeisterschaften.
Wir haben internationale Zuschauer. Und es sind mehr Chinesen und Japaner als früher. Aber insgesamt sind es wahrscheinlich wirklich weniger als zuletzt. Das liegt sicher daran, dass Daegu nicht das touristisch interessante Ziel ist.

Findet diese WM nicht doch in der falschen Stadt statt? Warum sind die Koreaner nicht nach Seoul gegangen?
Seoul ist auch keine besonders schöne Stadt. Es gibt dort nur mehr gute Hotels, die hier etwas knapp sind. Natürlich: Wenn wir ehrlich sind, ist Daegu eine reine Industriestadt. Es gibt hier nicht viele Sehenswürdigkeiten und wir konnten für den Marathon in der Stadt daher auch keine entsprechend attraktive Route finden, so wie wir sie in Berlin vor zwei Jahren hatten.

Wie zufrieden sind Sie mit der WM bisher?
Die Koreaner haben alles gehalten, was sie uns versprochen haben. Die Athleten sind begeistert von dem Athletendorf, das dem von Olympischen Spielen ähnelt. Südkorea hat sich als Sportnation außerordentlich entwickelt seit seiner Unabhängigkeit. Die Begeisterung im Stadion ist vergleichbar mit der Stimmung bei der WM in Stuttgart 1993 – und das, obwohl die Südkoreaner keine Medaillenkandidaten haben.

Helmut Digel, 67, ist Ehrenpräsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) und sitzt seit 1995 als Mitglied im Council des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false