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Sport: Leichtathletik: Wege zum Ruhm

Die Botschaft aus Nairobi konnte schärfer nicht formuliert sein: Kenias Leichtathletik-Funktionäre schlossen nach einer dreistündigen Sitzung am Donnerstagabend ihre beiden prominentesten Läufer von den Weltmeisterschaften aus, die vom 3. bis zum 12.

Die Botschaft aus Nairobi konnte schärfer nicht formuliert sein: Kenias Leichtathletik-Funktionäre schlossen nach einer dreistündigen Sitzung am Donnerstagabend ihre beiden prominentesten Läufer von den Weltmeisterschaften aus, die vom 3. bis zum 12. August in in Edmonton stattfinden. Die Marathon-Weltrekordlerin Tegla Lourope - bei der WM in Kanada für die 5000 Meter vorgesehen - und 1500-m-Olympiasieger Noah Ngeny hätten nämlich schon längst im Flugzeug sitzen müssen, um den sowieso um zehn Tage nach hinten verschobenen Schlusstermin vom 19. Juli Mitternacht für das gemeinsame Trainingslager aller kenianischen WM-Teilnehmer im Kasarani-Stadion in Nairobi einhalten zu können. Der Generalsekretär des Kenianischen Leichtathletik-Verbandes, David Okeyo, sagte, "ihre Agenten teilten uns über e-Mail mit, sie würden es nicht schaffen".

Tegla Lourope ließ über ihr Managment verlauten, sie wolle die WM-Vorbereitung lieber in Deutschland absolvieren. Für die 28-jährige Marathonläuferin wäre die für sie verhältnismäßig kurze Strecke bei der WM in Edmonton ohnehin nur Beiwerk in ihrem Marathon-Programm gewesen. Die zierliche Athletin konzentriert sich lieber auf die für sie finanziell attraktiven Marathonläufe im Herbst. So unter anderem auch auf den Berlin-Marathon, bei dem sie 1999 ihre eigene Weltbestmarke von Rotterdam um vier Sekunden auf 2:20:43 Stunden verbesserte.

Noah Ngeny gab als Grund für sein Fernbleiben eine Startverpflichtung beim Grand-Prix-I-Meeting am Sonntag in London an. Er wird durch den Olympiadritten Bernard Langat ersetzt. Außerdem wurden zwei Frauen neu in die 23-köpfige Mannschaft aufgenommen, Faith Macharia über 800 m und die 34-jährige Entdeckung Edith Masai. Sie ersetzt Loroupe über die 5000-Meter-Distanz, nachdem sie am vorigen Freitag beim Golden-League-Meeting in Oslo die 5000-m-Olympiasiegerin Gabriela Szabo aus Rumänien souverän im Spurt bezwungen hatte. Die drei Nachrücker müssen sich bis zum Montag gemeldet haben.So kurios es klingt, durch die Um- und Neubenennungen ist das kenianische Kontingent sogar stärker geworden. Denn die beiden jetzt ausgeschlossenen Stars waren im Juni schon nicht mehr Landesmeister geworden, und auch bei den internationalen Sportfesten in Europa hatten sie nicht gerade mit Bestzeiten brilliert.

Kenia gilt seit den späten sechziger Jahren als das Land der Läufer, und in guten Zeiten stellte es die Hälfte aller Weltklasse-Athleten auf den Strecken von 800 m bis Marathon. Das ist im gesamten Weltsport einzigartig, zumal das Herkunftsgebiet der Läufer im Siedlungsgebiet der Kalenjin kaum drei Millionen Menschen umfasst. Die mit allen Talenten gesegneten schlanken Athleten - so wiegt zum Beispiel Tegla Loroupe bei 1,53 m Körpergröße nur 39 Kilogramm - stammen zu über neunzig Prozent aus finanziell armen Familien. Deshalb verwundert es nicht, dass sie bevorzugt dem Geld und weniger den Titeln hinterher rennen. Wenn es dann zu den Saisonhöhepunkten kommt, Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften, sind sie selten ausgeruht.

Ihre ostafrikanische Heimat ist ausgesprochen ruhmbedürftig. Der für den Sport zuständige Minister Francis Nyenze erklärte den Rauswurf zu nichts Geringerem als einer Staatsaffäre und nannte es "eine Schande, dass Sportler die Gier vor die nationale Pflicht setzen". Allerdings übersah er dabei geflissentlich, dass Kenia nicht zuletzt wegen seiner Politiker nach einer aktuellen Statistik über Korruption global an schändlicher vierter Stelle steht.

Die Hauptsorge um ein ja wiederholt schwaches Abschneiden hat damit zu tun, dass die Kenianer sich zuerst und immer an den Äthiopiern messen. So war es fatal, dass nach langer Zeit ihre nördlichen Nachbarn bei Olympia 2000 in Sydney erfolgreicher als sie abschnitten und mit vier gleich doppelt so viele Goldmedaillen gewannen. Verbandspräsident Isaiah Kiplagat verwies dann auch darauf, dass seine Kollegen ihre Läufer schon vor einigen Wochen aus dem internationalen Tingeltangel herausgezogen und in Addis Abeba versammelt hätten. Hier geht es um Stolz und patriotisch unterfüttertes Ehrgefühl.

Robert Hartmann

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