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Sport: Leiden macht stärker

Der schwierige Weg der französischen Halbiranerin Aravane Rezai in die Tennis-Weltspitze

Am Ende blieb nur Ernüchterung. Die Russin Nadja Petrowa winkte glücklich den Zuschauern auf dem Court Philippe Chatrier zu, doch kaum jemand klatschte. Erst als sich Aravane Rezai enttäuscht verabschiedete, löste sich die Schreckstarre zu tosendem Applaus. Bis zum Einbruch tiefster Dunkelheit hatte ihr mitreißender Kampf am Freitagabend gedauert. Beim Stand von 7:6, 4:6 und 7:7 aus Sicht von Rezai musste unterbrochen werden, am Samstag verlor sie die zwölfminütige Verlängerung mit 8:10. „Es war trotzdem eine wichtige Erfahrung für mich“, sagte Rezai, „ich bin sehr stolz auf das, was ich zuletzt geschafft habe. Und es wird noch mehr kommen.“ In Paris geht das Warten der Gastgeber auf eine französische Siegerin nach Mary Pierce vor zehn Jahren weiter.

Frankreich kennt die 23-jährige Halbiranerin, seit sie das Masters in Madrid gewann. Dass Rezai dort Justine Henin, Jelena Jankovic und Venus Williams bezwang, hievte sie zur neuen Hoffnungsträgerin empor. Zum Leidwesen von Marion Bartoli, der französischen Nummer eins, die sich über das mangelnde Interesse an ihrer Person beklagte. Rezai fällt dagegen schon durch ihr schillernd gold-schwarzes Kleid auf, das eine Freundin für sie entworfen hat. Sponsoren hat sie nicht. Über die Gründe dafür mag die Muslima nicht sprechen, auch über Politik nicht. Dennoch tritt Rezai vehement für Tenniskleidung im islamischen Sinne ein, stieß bei der Spielervereinigung WTA aber auf taube Ohren. Nicht einmal längere Bermudashorts, wie sie Rafael Nadal trägt, sind den Damen erlaubt. Bei jedem Training hüllt sich Rezai in lange Kleidung, im Match passt sie sich an. Doch auch dort ist sie eine Kämpferin.

Wie hart sie für den bisherigen Erfolg arbeiten musste, wird wohl nur Rezai selbst wirklich wissen. Ihr Vater, Arsalan Rezai, ein iranischer Automechaniker, war nach St. Etienne in Frankreich ausgewandert, um seiner Familie ein besseres Leben zu bieten. Als seine Tochter sieben Jahre alt wurde, begann er, ihr Tennistraining zu geben. Geld hatten sie kaum und durch die cholerischen Anfälle des Vaters auch in vielen Tennisklubs Hausverbot. Manchmal prügelte er sich gar mit anderen Vätern, die etwas gegen seine Tochter sagten. Selbst bei Regen und Schnee drillte er Aravane. Wenn es dunkel wurde, machte er die Autoscheinwerfer an, damit sie weiterspielen konnten. Er riet seiner Tochter, möglichst viel zu essen, um kräftiger zu werden. Von Spieltaktik hatte er wenig Ahnung. Doch stets wachte er mit Argusaugen über seine Tochter, bis heute.

Manches Kind wäre sicher daran zerbrochen, Aravane Rezai jedoch nicht. Im Gegenteil, sie ist ihrem Vater zutiefst dankbar: „Es war hart, aber nötig. Es ist einfach die iranische Mentalität, dass man nur durch Leid etwas erreichen kann.“ Die neue Spielqualität hat sich aber erst seit dem Winter entwickelt. Seit ihr Vater gestattete, dass der renommierte Trainer Patrick Mouratoglou die sportliche Führung übernimmt, hat Rezai taktisch und technisch einen Quantensprung gemacht, ist um einige Kilogramm leichter – und die Nummer 19 der Welt.

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