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Leipzig: Seltene Festtage

Wenn die Nationalelf kommt, ist das Zentralstadion voll – doch das ist in Leipzig die Ausnahme. Es steht nicht gut um den Fußball in Leipzig, Festtage sind selten.

In der „Leipziger Volkszeitung“ stand dieser Tage ein Satz, der den Anhängern des Fußballklubs Sachsen Leipzig gar nicht gefallen haben dürfte. Im Zusammenhang mit den finanziellen Schwierigkeiten des Regionalligisten war davon die Rede, dass Sachsen „zu einem zweiten VfB Leipzig“ werden könnte. Solche Vergleiche sind in der Stadt alles andere als opportun. Die Anhänger der Sachsen, früher Chemie, und des VfB, früher Lokomotive und heute wieder, sind einander in inniger Abneigung verbunden. Manche nennen es auch einfach: Hass. Doch wenn der derzeit laufende Insolvenzplan scheitert, droht den Sachsen in der Tat das gleiche Schicksal, das der Lokalrivale schon in der sich hat: die Liquidierung und damit die Streichung aus dem Vereinsregister. Der Klub müsste sich neu gründen und in der untersten Liga von vorn anfangen.

Nein, es steht nicht gut um den Fußball in Leipzig. Festtage sind selten. Gestern gab es wieder mal einen, zweieinhalb Jahre nach der Weltmeisterschaft, als Leipzig einziger Austragungsort in den sogenannten Neuen Bundesländern war. Der große Fußball zu Gast in Sachsen. Die deutsche Nationalmannschaft spielte in der WM-Qualifikation gegen Liechtenstein. Für die Begegnung (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe nicht beendet) wurde extra ein neuer Rollrasen im Zentralstadion verlegt, alle 43 368 Karten waren bereits Tage vor dem Spiel verkauft. Bei Länderspielen im Westen war das zuletzt gar nicht mehr selbstverständlich. In Leipzig aber ist selbst Liechtenstein ein Publikumsmagnet.

Das neue Zentralstadion ist ein richtiges Schmuckstück, eingebettet in die alte Arena, eine ausladende Schüssel, in der zu DDR-Zeiten 100 000 Menschen Platz fanden. Wenn der FC Sachsen, der Vorletzte der Regionalliga Nord, in dieser Saison seine Heimspiele in der WM-Arena austrägt, kommen meistens nicht mehr als 2500 Leute. Aber auch das ist bald vorbei. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, dem zweiten nach 2001, steht der Verein schon jetzt als Absteiger aus der Regionalliga fest, und als Oberligist wird Sachsen in der kommenden Saison sicher nicht im Zentralstadion spielen.

Wenn es überhaupt für die Oberliga reicht. 200 000 Euro muss der Insolvenzverwalter auftreiben, damit der Klub überleben kann – sonst droht die Liquidierung, wie sie auch schon der Lokalrivale VfB mitgemacht hat. „Das wollen wir unbedingt verhindern“, sagt Sachsens Präsident Winfried Lonzen. Der Verein hat ein Spendenkonto eingerichtet, nach sieben Tagen waren gerade mal 1300 Euro eingegangen.

Lok ist schon dort, wo Sachsen in der kommenden Saison bestenfalls landen wird: in der fünftklassigen Oberliga. Aber im Unterschied zum lokalen Konkurrenten geht es für Löw wenigstens kontinuierlich aufwärts. Nach der Auflösung des Vorläufers VfB Leipzig hat sich der Verein 2003 als 1. FC Lokomotive neu gegründet. Er startete in der elften Liga, übersprang die Klassen neun und acht durch Fusion und liegt aktuell in der Oberliga auf dem ersten Rang nachdem Lok gestern den FSV Zwickau 3:0 besiegte und damit von der Spitze der Tabelle verdrängte.

Loks Präsident Steffen Kubald hat daher in dieser Woche ein neues Saisonziel verkündet: Der Aufsteiger aus der Landesliga solle doch auch am Ende dieser Spielzeit bitte wieder aufsteigen. „Sponsoren und potenzielle Sponsoren haben uns beim Erreichen dieses Ziels positive Zeichen für die Zukunft gegeben“, sagt Kubald. „Die Chance kommt so schnell nicht wieder.“

Es wäre der fünfte Aufstieg für Lok hintereinander. Lok würde damit an Sachsen vorbeiziehen und wieder die Nummer eins in der Stadt werden. Der Verein hat ohnehin die glänzendere Historie der beiden Leipziger Klubs. 1903 war der VfB erster deutscher Fußball-Meister, unter dem Namen Lok erreichte er 1987 das Europapokalfinale (0:1 gegen Ajax Amsterdam), als einer von nur drei Klubs aus der DDR. Auch angesichts der historischen Erfolge glaubt Klaus Reichenbach, der Präsident des Sächsischen Fußball- Verbandes, dass Leipzig „gute Voraussetzungen für den Fußball bietet“. In der Stadt wurde 1900 der Deutsche Fußball- Bund gegründet, 1990 vereinigten sich die Verbände der Bundesrepublik und der DDR in Leipzig. Was dann aber aus den eigentlich glänzenden Voraussetzungen in der Stadt gemacht wurde, findet Reichenbach katastrophal, „dabei ist der Hunger nach hochklassigem Fußball doch riesig“.

Der Sport hat es in der einstigen Sportstadt Leipzig ohnehin nicht leicht. Den Lokalpolitikern wird nachgesagt, sie interessierten sich eher für die Hoch- als für die Körperkultur. Leipzig, die größte Stadt des Ostens, definiert sich anders als viele andere Städte in der früheren DDR nicht über einen erfolgreichen Sportverein. Klaus Reichenbach, der Präsident des Sächsischen Fußball-Verbandes, wünscht sich daher von der Lokalpolitik eine Abkehr von der bisherigen Linie der Nichteinmischung. Es könne schließlich nicht sein, „mit 50 Millionen Euro aus der öffentlichen Hand ein Stadion zu bauen, in dem nur niederklassiger Fußball oder Konzerte geboten werden“.

Einen Mietinteressenten aus dem Fußball gibt es immerhin schon für die kommende Saison. Dynamo Dresden überlegt, ob es seine Heimspiele im Zentralstadion austragen soll.

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