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Sport: Leistung aus Leidenschaft

Schlechte Trainingsplätze, keine Stars, emotionale Fans: Aufsteiger Cottbus kämpft um den Klassenerhalt

Von Karsten Doneck, dpa

Wer hat das Sagen im Verein? Große Aufgaben erfordern offenbar neue Strukturen auf der Führungsebene. So löste nach dem Aufstieg der schneidig-eloquente Ulrich Lepsch, zuvor Vorsitzender des Verwaltungsrates, den eher gemütlichen Michael Stein als Präsidenten ab. Neuer Manager wurde Steffen Heidrich an Stelle von Teammanager Ralf Lempke. Verändert haben sich die Machtstrukturen dadurch nicht wesentlich. Lepsch war schon vorher der starke Mann im Verein. Sein Wort gilt.

Was hat sich verbessert? Ganz bestimmt nicht die Trainingsbedingungen. Energie hat das provinziellste Übungsgelände aller Bundesligisten. Der Platz hat nicht mal die Ausmaße eines richtigen Fußballfeldes. Verbessert hat sich dagegen die Substanz im Kader dank Neuzugängen wie dem Chinesen Jiayi Shao von 1860 München für 250 000 Euro Ablöse sowie dem Mazedonier Igor Mitreski und Vlad Munteanu (Dinamo Bukarest). Ob das aber schon zum Klassenerhalt reicht?

Wie sicher ist der Job des Trainers? So sicher, wie der Trainerjob bei einem Aufsteiger nun mal ist – unsicher. Nur drei Dinge schützen Petrik Sander: Punkte, Punkte, Punkte. Sonst wird in Cottbus das Fußvolk murren. Die zuweilen nörgligen Fans werden Sanders Methoden wahlweise für zu weich oder zu hart halten, ihm abwechselnd vorwerfen, seine Taktik sei zu offensiv oder zu defensiv. Sander, im Vergleich zum Vorgänger Eduard Geyer von der feinfühligen Sorte, braucht viel Kraft. Aber er hat schon in der Zweiten Liga alle Krisen gemeistert.

Welche Taktik ist zu erwarten? Jürgen Klinsmanns Sturm- und Drangfußball bei der WM wird wohl kaum die Cottbuser Art. Konzentriert verteidigen, auf Räume warten, gezielt Konter setzen – auf diese Weise muss gepunktet werden. 34 Punkte reichten in der vorigen Saison zum viertletzten Platz. Schon in der Zweiten Liga verfiel die Energie-Elf manchmal in Ratlosigkeit, wenn ihr der Gegner die Handlungshoheit auf dem Platz überließ.

Welche Platzierung ist möglich? Es geht für den FC Energie um nichts anderes, als drei Mannschaften hinter sich zu lassen. Das ist möglich, wenn Cottbus die unter Eduard Geyer hinlänglich erprobte Kampfmaschine wieder in Gang bringt und sich das Publikum wie in der Erstliga-Vergangenheit mit aller Stimmkraft hinter die Mannschaft stellt.

Wer sind die Stars? Stars in Cottbus? Das würde nicht funktionieren. Finanziell sind dem Klub bei einem Etat von 19,7 Millionen Euro ohnehin Grenzen gesetzt. Energie lebt vom Teamwork, Stars stören da nur. Das Publikum wird sich seine Lieblinge schon aussuchen. Favoriten sind der bisweilen unkonventionell sein Handwerk verrichtende Torwart Tomislav Piplica oder der klotzige Stürmer Francis Kioyo, eine Art Dampframme in Menschengestalt. Ansonsten findet jeder Energie-Profi, der 100 Prozent und mehr gibt, beim Cottbuser Zuschauer Anklang.

Wie sind die Fans? Parteiisch, unglaublich parteiisch. Selbst auf den teuersten Plätzen im Stadion der Freundschaft lösen Freistöße gegen die eigene Mannschaft einen Sturm der Entrüstung aus – und seien die vorangegangenen Fouls noch so offensichtlich gewesen. Energie-Fan zu sein, heißt: Leidenschaft, notfalls bis an den Rand der Verleugnung allen Regelwerks.

Wer war der WM-Held? Am FC Energie rauschte die WM vorbei wie ein ICE. Wenigstens am Rande hatte Trainer Sander mit der WM zu tun. Er erhielt im Rahmen seiner erst jetzt richtig begonnenen Ausbildung zum Fußballlehrer vorab von der Sporthochschule Köln den Auftrag, bei der WM die Taktiken der Mannschaften zu analysieren. Sechs WM-Spiele schaute sich Sander an, darunter das Halbfinale Deutschland – Italien. Ob seine Erkenntnisse auch Energie helfen?

Morgen: Alemannia Aachen

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