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Sport: Letztes Spiel in Wembley: Der Teamchef achtet auf saubere Unterwäsche

Kevin Keegan hat dieser Tage viel zu tragen. Sympathien, Erwartungen, Hoffnungen - und einen Schraubenzieher.

Kevin Keegan hat dieser Tage viel zu tragen. Sympathien, Erwartungen, Hoffnungen - und einen Schraubenzieher. So ein Werkzeug will der englische Teammanager heute ins Wembley-Stadion schmuggeln. "Wenn Sie mich dann sehen, wie ich in der Royal Box auf die Knie falle, werden Sie schon wissen, was ich da mache", sagt der 49-Jährige. Nach dem WM-Qualifikationsspiel zwischen England und Deutschland wird das Bauwerk bekanntlich abgerissen, und Keegan, Englands Fußballdarling der späten Siebziger und frühen Achtziger, will sich mit einem Souvenir versorgen.

Rudi Völler will es vom Spielverlauf abhängig machen, ob er sich ein Mauerstück organisieren wird. "Eigentlich bin ich ja kein Souvenirjäger", sagt der deutsche Teamchef, "eher schon ein Punktejäger." Ah ja. Fast wäre in Vergessenheit geraten, um was es heute auf dem heiligen Fußballrasen eigentlich geht. England tut sich schwer, an den ersten Tag ohne Wembley zu denken, und bei den Deutschen ist gerade einiges anderes zusammengebrochen. Vielleicht erzählen deshalb beide Trainer so gehaltlose Geschichten. Wo es doch um so viel geht. Die Engländer dürfen einfach nicht das letzte Spiel in diesem Stadion verlieren, schon gar nicht gegen die Deutschen, die, spottete der "Daily Telegraph" während der EM-Tage im Juni, "die wohl schlechteste Mannschaft seit Menschengedenken haben". Die Engländer siegten damals in Charleroi 1:0 und verpassten doch ebenso wie Deutschland den Anschluss an die europäische Spitze. Für Kevin Keegan ist die WM-Qualifikation die zweite Chance.

Die bekommt man als Trainer in Deutschland nicht so schnell, was nicht nur mit Christoph Daum, sondern wiederum auch mit Völler zu tun hat. Denn der hat noch einmal wiederholt, dass er, egal "wo der Trubel der vergangenen Tage" auch hinführen mag, "definitiv nicht zur Verfügung" steht für eine Verlängerung seines Übergangsdaseins als Teamchef. Sollte aber Deutschland unter ihm eine erfolgreiche Qualifikation spielen, wird es für jeden Nachfolger schwer werden. Völler winkt ab. "Das ist mir egal. Ich weiß nur eines: Wenn wir gegen England bestehen wollen, dann müssen wir 90 oder 95 Minuten Tempo gehen. Und dazu brauche ich ganze Kerle. Spiele gegen England wurden schon immer durch Kleinigkeiten entschieden. Meine Spieler wissen, was sie leisten müssen. Wir werden auf keinen Fall mit Hosen voll auflaufen." Ja doch, das hat der liebe Rudi wirklich gesagt.

Schon jetzt darf Völler sich anrechnen lassen, dass er den bedrohlichen Autoritätsverfall der deutschen Nationalmannschaft zu einem vorläufigen Stillstand gebracht hat. "Alle haben wohl bemerkt, dass wir uns von der spielerischen Linie verbessert haben", sagt der Teamchef. Ob aber das, was gegen Spanier in Ferienlaune (4:1) oder gegen harmlose Griechen (2:0) reichte, auch gegen England genügen wird? Völler weiß es nicht. Die verletzten Zickler und Heinrich werden vermutlich durch Bierhoff und Linke ersetzt, der Stamm aber wird unverändert bleiben. Völler verspricht jedenfalls, dass "wir uns nicht verstecken werden", was vor 80 000 Zuschauern auch reichlich schwer fallen dürfte. "Ob wir mit zwei oder drei Spitzen spielen, ob mit Vierer-Kette und ohne Libero oder mit Libero und ohne Kette", das will Völler noch nicht verraten. Von zusätzlichen Motivationseinheiten hält er jedenfalls nichts: "Meine Jungs haben das Glück, das letzte Spiel im Wembley zu bestreiten. Das muss Motivation genug sein."

Die Rivalität beider Nationen, "natürlich nur unter sportlichen Gesichtspunkten" (Völler), wird für eineinhalb Stunden und vielleicht auch noch ein bisschen länger alles andere verdrängen können. Die Engländer werden Keegan feiern oder feuern. So einfach wird es für Völler nicht werden.

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