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Der Turm nach der Schlacht. Die Chinesin Li Na posiert nach ihrem Sieg bei den French Open samt Pokal vor dem Eiffelturm in Paris. Sie ist die erste Asiatin mit einem Grand-Slam-Titel.

© AFP

Tennis: Li Na: "Schatz, du bist entlassen"

Selbstironisch und selbstbewusst – die French-Open-Siegerin Li Na ist eine ungewöhnliche Asiatin. Im Januar trennte sie sich von Trainer Jiang Shan, ihrem Ehemann.

Jiang Shan ist ein genügsamer Chinese, obwohl er es mit seiner Frau Li Na gewiss nicht immer leicht hat. Als Mann neben einer erfolgreichen Frau zu bestehen, ist für manchen Gatten schon schwer genug zu verkraften, Jiang Shan aber saß auch am Samstag treu applaudierend auf der Tribüne des Court Philippe Chatrier und erlebte mit, wie Li Na als erste Asiatin der Geschichte bei den French Open einen Grand-Slam-Titel gewann.

Jiang Shan jubelte und trug eines der knallgelben Fan-Shirts, auf denen in chinesischer Schrift „Sei du selbst“ stand, und treffender hätte man seine Frau auch gar nicht beschreiben können. Sie lacht viel, und in ihren Antworten liegt oft auch eine bissige Ironie. Sie hat ihren eigenen Kopf und trifft ihre eigenen Entscheidungen. So befand die 29-Jährige im Frühjahr, dass sich etwas in ihrem Leben ändern musste und gab Jiang Shan den Laufpass – als Trainer. „Ich wollte ihm eigentlich nicht sagen: ,Schatz, du bist entlassen’“, sagte Li Na, „aber ich habe es dann doch gemacht.“ Sie sei es leid gewesen, „drei Jahre lang 24 Stunden am Tag“ mit ihm zu verbringen, sie brauche eine Pause. Jiang Shan nahm es hin, dass er zum Hitting-Partner degradiert worden war. Zu einem, der seiner Frau im Training die Bälle zuspielt.

Im Januar hatte Li Na noch mit ihm das Finale der Australian Open erreicht, und das, obwohl der schnarchende Gatte ihr stetig den Schlaf raubte, wie sie es prompt aller Welt erzählte. Doch im Anschluss an ihren bis dato größten Erfolg setzte es vier Erstrundenniederlagen, erst im April gewann die Weltranglistensiebte beim Turnier in Stuttgart wieder ein Match. Sie tat sich auf Anraten ihres Physiotherapeuten probeweise mit dem früheren dänischen Fed-Cup-Kapitän Michael Mortensen zusammen, der sie auf Anhieb in Madrid und Rom ins Halbfinale und nun gar zum Titel in Roland Garros führte.

Dabei hatte sich Li Na auf Sand immer unwohl gefühlt. „Früher haben mir viele eingeredet, dass ich keine gute Sandplatzspielerin wäre“, sagt sie, „nach dem zehnten Mal glaubt man es.“ Der Kopf war immer so ein Problem bei Li Na, viel zu oft zweifelte sie an ihrem Spiel. Doch Mortensen hat ihr das schnell ausgetrieben. „Er glaubt an mich und hat eine positive Art, mich auf Dinge hinzuweisen.“

Auch diese Spitze nahm Jiang Shen gleichmütig hin, er zählt nicht zu jenen Männern, die der Karriere ihrer Frau im Wege stehen wollen. Er nimmt sich zurück und tut es auch schon mal während eines Matches. Im Viertelfinale gegen Petra Kvitova hatte Li Na im dritten Satz bereits mit 0:3 hinten gelegen. Jiang Shan verließ die Tribüne. „Als mein Mann weg war, habe ich sechs Spiele in Folge gemacht“, erzählte Li Na und lachte. Und fühlte sich bestätigt, dass sie ihren allzu nervösen Ehemann vom Trainerstuhl verwiesen hatte. Vielleicht liegt es daran, dass sie schon früh mit Trainern aus der westlichen Welt gearbeitet hatte, dass sie unabhängig und selbstbewusst ist. 2002 hatte sie gar für zwei Jahre die Tenniskarriere an den Nagel gehängt und Journalismus studiert. Denn dass der chinesische Verband für die Förderung mit Trainer- und Reisekosten eine Gegenleistung in Form von zwei Dritteln ihrer Preisgelder verlangte, gefiel Li Na gar nicht. Schon gar nicht, weil ihr deren Gegenleistungen kaum weitergeholfen hatten. Über Rang 120 war sie nicht hinausgekommen.

Auch wenn die Abgaben heute nur noch zehn Prozent betragen, hat sich Li Na vom Verband längst emanzipiert, lebt und arbeitet auf eigene Kosten. Und das mit Erfolg. Und sie versucht nun, in einem Land, in dem Tennis noch immer weit hinter Badminton und Tischtennis angesiedelt ist, einen kleinen Boom auszulösen. „Es wäre schön, wenn mein Sieg hier chinesische Kinder zum Tennis animieren würde“, sagte Li Na. 50 Millionen Landsleute hatten ihr Finale am TV verfolgt, gemessen an der Einwohnerzahl ist es jedoch eine ausbaufähige Quote.

Aber das Beispiel von Yao Ming, dem 2,29 Meter großen Centerspieler der Houston Rockets in der amerikanischen Basketballliga NBA, beweist, wie schnell und in welchen Dimensionen ein Personenkult im Reich der Mitte entstehen kann. Sehr berühmt sei sie wohl noch nicht in China, meinte Li Na und fügte hinzu:. „Ich fahre erst nach Wimbledon wieder nach Hause, wenn ich da schlecht spiele, haben sie mich vielleicht schon wieder vergessen.“ Anschließend lachte sie schon wieder.

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