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Sport: Liebe und Intrige

Wie sich Gerhard Mayer-Vorfelder und Theo Zwanziger darauf einigten, beide DFB-Präsident zu werden

Es hatte schon etwas von einem Rührstück, als die lächelnden Herren sich Schulter an Schulter lehnten, in die Kameras grinsten, sich berührten, so als wären sie die besten Freunde. Es war am Freitagabend, OttoFleck-Schneise in Frankfurt, erster Stock des Landessportbundes: Die Herren vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) betraten den lichtdurchfluteten Raum, in den Hauptrollen Gerhard Mayer-Vorfelder und Theo Zwanziger, angeblich erst zerstritten, angeblich jetzt vereint.

Der entrückte Patriarch aus Stuttgart saß mittig vor dem Pulk aus Mikrofonen, der bodenständige Basisdemokrat aus Altendiez unmittelbar neben ihm, als Liga-Präsident Werner Hackmann die Erklärung verlas: Bis September 2006 wird der Verband von einer Doppelspitze geführt, Mayer-Vorfelder, 71, bleibt Präsident, beschränkt auf internationale und repräsentative Ausgaben, und Zwanziger, 59, nennt sich Geschäftsführender Präsident, der führt das operative Geschäft und hält Kontakt zu den Mitgliedsverbänden. Eine Lösung „im besten Sinne für den deutschen Fußball“, wie Hackmann sagte? Eher eine Lösung, die dem Machterhalt Mayer-Vorfelders dient. Dafür muss die Satzung geändert werden, dafür muss der nächste Bundestag auf 2006 vorgezogen werden. Am Ende taten alle so, als habe es das Hauen und Stechen der vergangenen Tage gar nicht gegeben. „Wir haben nach wie vor ein gutes Verhältnis“, sagte Zwanziger über Mayer-Vorfelder noch am Tag danach (siehe Interview links).

Schlichtungsmitglied Franz Böhmert war überhaupt froh, dass nach siebenstündigen Beratungen ein Kompromiss gefunden wurde: „In 27 Jahren beim DFB habe ich so etwas noch nie erlebt“, sagte Bremens Aufsichtsratschef. „Das war eine der schwierigsten Sitzungen überhaupt, und ich habe einige erlebt.“ Hinter den Kulissen wurde geschachert, gefeilscht und gekungelt wie kaum zuvor in der 104-jährigen DFB-Historie. Wie berichtet, hatte die Spitze der Schlichtungskommission mit Liga-Präsident Werner Hackmann, Generalsekretär Horst R. Schmidt und Amateursprecher Engelbert Nelle drei Modelle zur Lösung der Krise entworfen. Die Idee der Doppelspitze entstand hier – sie sichert Mayer-Vorfelder nach der heftigen Kritik an ihm wegen der Trainersuche für die Nationalmannschaft und seines Führungsstils die noch meistmögliche Macht. Diese Variante muss nun als mehrheitsfähig verkauft werden. Nelle räumte am Samstag ein, dass dies noch ein Hindernis werden könnte: „Wir sind nicht über den Berg. Wir müssen kämpfen, dass wir die Delegierten hinter diese Lösung bringen.“ Für die notwendige Satzungsänderung bedarf es einer Zweidrittel-Mehrheit der 256 Stimmberechtigten beim DFB-Bundestag am 23. Oktober in Osnabrück.

Was ist wirklich passiert im innersten DFB-Zirkel? Seit der Revolte am Montagabend im Frankfurter Stadtwald, als Mayer-Vorfelder nach der Kandidatur Zwanzigers und nach den Attacken der Führungsmannschaft auf ihn nachts ermattet sein Apartment in der DFB-Zentrale aufsuchte, ließ der Affären-Profi nichts unversucht. Und gewann wichtige Fürsprecher: in der Liga Karl-Heinz Rummenigge, im Weltverband Fifa den Präsidenten Sepp Blatter und den mächtigsten Mann im deutschen Fußball, Franz Beckenbauer. Dazu kam ihm ein Termin zupass: das Treffen der Weltmeister von 1974 am Mittwochabend in München. Die Feierlichkeiten nutzte Mayer-Vorfelder, um Kritiker wie Nelle von Angesicht zu Angesicht zu bearbeiten.

Vier Tage und Nächte haben dem 71-jährigen gereicht, um Kontakte spielen zu lassen, Seilschaften zu nutzen, Personen zu beeinflussen. Der schwäbische Genussmensch kann kungeln wie kaum ein anderer Funktionär, ein Weinglas in der einen Hand, das andere auf der Schulter seines Kritikers. Wie groß muss sein Einfluss sein, wenn plötzlich Herausforderer Theo Zwanziger seine Verdienste für die Gesellschaft rühmt? Erst wollte die Opposition den Präsidenten vor der Fußball-WM 2006 in den Hintergrund drängen, nun zeigt Zwanziger plötzlich Mitleid für seinen Rivalen.

Immerhin, unter Druck entwickelte die alternde Riege im DFB-Zirkel tatsächlich innovative Züge und verabschiedete schließlich eine Lösung, die diesem Verband niemand zugetraut hat. Vielleicht hilft dieser neue Ideenreichtum dem Verband auch bei der bislang gescheiterten Suche nach einem Bundestrainer.

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