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Sport: Lieber Mexiko als Finnland

Abenteuerliche Absagen vieler Spieler und wenig Ideen: Bundestrainer Pat Cortina und seine schwere Mission Eishockey-WM.

Berlin - Es ist eine Posse. Eine traurige zumal. Während sich im deutschen Eishockey derzeit alles um die Meisterschafts-Finalserie zwischen den Berliner Eisbären und den Kölner Haien dreht, tingelt die Nationalmannschaft mit einer zweitklassigen Besetzung durch die Provinz und verliert Spiel um Spiel. Vier Auftritte, zwei Niederlagen in Weißrussland und zwei in Regensburg und Selb gegen Tschechien und am Sonntag wird es nach Lage der Dinge Niederlage Nummer fünf setzen gegen Schweden. Auch dieses Spiel droht in der öffentlichen Wahrnehmung außerhalb der Krefelder Arena unterzugehen. Zeitgleich ist in Köln Finalspiel vier angesetzt. Dabei sind die Auftritte des Nationalteams Tests für die Weltmeisterschaft. Finnland ist das erste Turnier unter Bundestrainer Pat Cortina und wer weiß, ob es nicht auch sein letztes als Nationaltrainer wird. Das deutsche Team ist nach Lage der Dinge Abstiegskandidat.

Pat Cortina wird kaum eine A-Mannschaft zusammenbekommen, das steht nach einem guten Dutzend Absagen schon fest. Für das Nationalteam zu spielen ist für viele Profis aus der Deutschen Eishockey-Liga wenig attraktiv. Viele entschuldigen sich wie etwa der Hamburger Mannschaftskapitän Christoph Schubert oder der Mannheimer Denis Reul als mehr oder minder verletzt. Mancher muss „aus privaten Gründen“ passen, wie der Hamburger Gerrit Festerling. Er plant laut „Bild“-Zeitung eine Reise nach Mexiko. Beim Wolfsburger Kai Hospelt dagegen stehen Vaterfreuden ins Haus – im Juni. Die WM ist Mitte Mai vorbei.

Das Desinteresse am Auftritt für Deutschland trifft Cortina hart, aber der Bundestrainer weiß, dass er kaum in der Position ist, laute Töne anzuschlagen. Er sagt: „Die Spieler haben aus sehr persönlichen Gründen abgesagt. Mit diesen Situationen geht jeder Mensch anders um.“ Er werde das respektieren. Als erster Bundestrainer hat Cortina es verpasst, sich mit dem Nationalteam für Olympia zu qualifizieren. Nicht wenige geben Cortina die Hauptschuld am Scheitern in der Qualifikation für Sotschi.

Cortina sagt: „Ich muss mich auch fragen, ob die Spieler im Falle einer erfolgreichen Olympia-Qualifikation genauso entschieden hätten.“ Womöglich nicht, aber das ändert an der trostlosen Situation vor der WM nichts – an einer Situation, an die vor zwei Jahren nicht zu denken war. Da hieß der Bundestrainer noch Uwe Krupp. Der hatte das Team 2010 bei der Heim-WM ins Halbfinale geführt, ein Jahr später in der Solwakei ins Viertelfinale. Danach wurde er Trainer der Kölner Haie – eine Doppelfunktion als Club- und Nationaltrainer schloss der Deutsche Eishockey-Bund aus. Stattdessen wurde der in der deutschen Szene unbekannte Schweizer Jakob Kölliker als Bundestrainer installiert. Es gab ein katastrophales WM-Turnier in Schweden – zwar ohne Abstieg, aber mit einem 4:12 gegen Norwegen. Bundestrainer wollte danach im deutschen Eishockey niemand werden, also bekam der Italo-Kanadier Cortina den Job und durfte ihn sogar zunächst in Doppelfunktion ausführen. Bis März war er auch Chefcoach beim EHC München. Dort konnte er sich an das Verlieren gewöhnen, Cortina verpasste in seiner vorerst letzten Saison als Clubtrainer die Play-offs.

Gut verkaufen konnte sich der Bundestrainer Cortina bisher nicht. Statements gibt er – der deutschen Sprache weniger firm – bevorzugt auf Englisch ab. Und er hat wohl nicht so einen engen Kontakt zu vielen Spielern, wie sein Vorgänger Krupp. Wenn der einen Christian Ehrhoff, den Starverteidiger der Buffalo Sabres aus der National Hockey-League (NHL), rief, dann kam der schon mal zu einer WM. Noch aber hat Cortina die Hoffnung nicht aufgegeben. Ehrhoff könnte kommen, wenn Buffalo die Play-offs in der NHL verpasst, auch mit Marcel Goc (Florida Panthers) stehe er in Kontakt. Die Hilfe aus der besten Eishockey-Liga der Welt hat Cortina wohl nötig. Denn wenn die Finalserie um die Deutsche Meisterschaft vorbei ist, dann könnte es weitere Absagen geben – aus Berlin und Köln. Claus Vetter

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