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Claus Vetter, unser Mann in Sotschi.

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Liebesgrüße aus Sotschi (7): Mittendrin, nie nah dran

Hier erzählt unser Sotschi-Korrespondent Claus Vetter täglich Geschichten aus Sotschi. Heute gilt es für kritische Distanz zu wahren, was bei Olympia nicht jedem Journalisten gelingt.

Nah dran, aber nie mittendrin – das sage ich mir mit tausenden anderen Journalisten, ist eine der Maximen meines Berufstandes, die mir wichtig sind. Sicher, es fällt schon mal schwer, sich daran zu halten. Sympathien spielen immer eine Rolle, Patriotismus auch. Ganz ausblenden, wer kann das schon?

Im Linguistik-Seminar an der Uni habe ich mal gelernt, dass das einzig Neutrale an einer Zeitung das Datum ist. Dessen ist sich wohl auch der Großteil meiner russischen Kollegen in Sotschi bewusst. Sie bemühen sich gar nicht erst um journalistische Distanz. Beim Eiskunstlauf bejubeln sie ausgelassen die Darbietungen „ihrer“ Paare, und als nun Alexander Owetschkin ihnen auf einer Pressekonferenz Gold im Eishockey versprach, da erhoben sie sich und klatschten. Minutenlang.

Man denke sich: Philipp Lahm verspricht vor der WM in Brasilien den deutschen Kollegen den Weltmeistertitel und alle ... Nein! Macht keiner, weil sich unsere Interpretation von kritischem Journalismus wohl ein wenig von der vieler russischer Sportreporter in Sotschi unterscheidet.

Schade eigentlich, ist eigentlich ganz lustig. Ich stelle mir vor, wie ich Felix Loch nach der nächsten Pressekonferenz umarme, weil er wieder Gold gewonnen hat. Maria Höfl-Riesch könnte ich einen Blumenstrauß schenken. Doch da kommt mir ein Verdacht: Die deutschen Sportler würden so etwas vielleicht gar nicht so gut finden. Die haben uns Journalisten ja auch lieber nur nah dran als mittendrin. Die meisten jedenfalls.

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