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Historisch: Lindsey Vonn fährt in Cortina d’Ampezzo ihrem 62. Weltcup-Sieg entgegen.

© Reuters

Lindsey Vonn: Schussfahrt ins Geschichtsbuch

Zerwürfnis mit dem Vater, Scheidung, Depressionen und Verletzungen: Skirennfahrerin Lindsey Vonn hat sich von allen Rückschlägen erholt und stellt in Cortina d’Ampezzo mit ihrem 62. Weltcup-Sieg den Uraltrekord von Annemarie Moser-Pröll ein.

Die ersten Gratulanten warteten gleich jenseits der Zielraumbande. Ein Offizieller des Skiweltverbandes gehörte ebenso dazu wie die Teamkolleginnen und Skirennläuferinnen aus anderen Nationen. Als Lindsey Vonn am Sonntag mit Bestzeit die zweite Abfahrt von Cortina d’Ampezzo beendete, gab es kaum jemanden im Tross des Ski-Weltcups, der nicht bewundernd oder zumindest anerkennend reagierte. „Erstaunlich und außergewöhnlich“, nannte der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier die Leistung der US-Amerikanerin. Die Slowenin Tina Maze sprach von „einem sehr emotionalen Moment“. Nicht der Sieg löste diese Reaktionen aus, sondern die Tatsache, dass es der 62. für Lindsey Vonn war und die 30-Jährige damit die Rekordmarke der legendären Annemarie Moser-Pröll geknackt hat. „Ich bin einfach erleichtert“, gab Vonn zu. Denn in der Öffentlichkeit sei es in den letzten Tagen ein großes Thema gewesen, dass sie in Cortina nun die Bestmarke erreichen könne. „Aber ich habe immer versucht, es wie jedes andere Rennen zu sehen“, sagte Vonn. Ganz gelang ihr das nicht. Schon am Freitag, bei der ersten Abfahrt im Olympiaort von 1956, hatte sie sich eigentlich gut gefühlt – und war dann doch nur Zehnte geworden. Die Bedingungen waren zwei Tage später ähnlich, weicher Schnee und die Sicht nicht optimal. „Ziemlich nervös“ sei sie vor der zweiten Chance in Cortina gewesen. Zumal sie alles vorbereitet hatte für das Rekord-Fest. Zum ersten Mal war Mutter Linda nach Europa gereist, um bei den Weltcuprennen in den Dolomiten dabei zu sein. Auch Vonns Vater schaute zu, mit dem sie jahrelang keinen Kontakt gehabt. Erst nach der Trennung von ihrem Ehemann Thomas Vonn war es wieder zu einer Annäherung gekommen. „Es ist ganz speziell, diesen Erfolg jetzt mit ihnen teilen zu können“, sagte Lindsey Vonn nach dem Rennen.

Nach mehr als 30 Jahren knackt Lindey Vonn den Rekord von Annemarie Moser-Pröll

Dass es mehr als 30 Jahre dauerte, ehe eine Skirennläuferin die Rekordmarke von Moser-Pröll knacken konnte, beweist die außergewöhnliche Leistung. Die Österreicherin hatte diese Serie zwischen Januar 1970 und Januar 1980 geschafft, zu einer Zeit, als es eine Disziplin weniger gab, dafür die Anzahl der Athletinnen, die für Siege in Frage kamen, deutlich geringer war als heutzutage. „Es ist eine unglaubliche Karriere. Ich hätte nie geträumt, dass ich so weit komme“, gab Lindsey Vonn zu. „Es war ein langer Weg.“ Ein Weg, auf dem es zunächst fast nur aufwärts gegangen war. Zum ersten Mal stand sie im Dezember 2004 in Lake Louise ganz oben auf dem Podest. Es folgten Jahre, in denen sie die Abfahrts-Konkurrenz dominierte. Aber Vonn gewann auch Rennen in allen anderen Disziplinen. Sie wurde Weltmeisterin und Olympiasiegerin und holte viermal den Gesamtweltcup. Tiefschläge musste sie auch einstecken, aber zunächst vor allem private.

Die Rückschläge der Lindsey Vonn: Zerwürfnis mit dem Vater, Scheidung, Depressionen und Verletzungen

Das Zerwürfnis mit ihrem dominanten Vater zum Beispiel, oder die Trennung von Ehemann Thomas Vonn. Und das Geständnis, an Depressionen zu leiden. Sportlich stoppte sie erst die schwere Knieverletzung, die sie beim Sturz während der WM 2013 erlitt. Kurz nach ihrer Rückkehr zehn Monate später riss das Kreuzband ein zweites Mal. Doch sie verschwendete keinen Gedanken daran, dass sie es vielleicht nicht mehr reichen würde für ganz oben. „Ich bin eine Wettkämpferin, ich wollte immer kämpfen“, sagt Lindsey Vonn. Sie habe „diese Mentalität, ans Limit zu gehen.“ Im Prinzip gibt es für die 30-Jährige nur zwei Möglichkeiten: „Entweder ich stürze oder ich gewinne.“

Bei ihrem ersten Auftritt nach der insgesamt mehr als eine Saison dauernden Verletzungspause bewies sie, dass sie wieder das Maß der Dinge zumindest in der Abfahrt werden würde. Und es zweifelt wohl niemand daran, dass sie bald alleinige Rekordhalterin sein wird. Denn 62 Weltcup-Siege sind Lindsey Vonn noch nicht genug.

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