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Gewicht mit Methode. Bartoli setzt darauf, dass ihre Kilo ihr Power bringen. Bei der Rugbyübung im Training funktionierte das schon mal ganz gut.

© dpa

Lisickis Finalgegnerin: Marion Bartoli: Die beidhändige Kampfkugel

Marion Bartoli will im Wimbledon-Finale Sabine Lisicki schlagen. Die Französin ist eine etwas andere Tennisspielerin - und nicht besonders beliebt auf der Tour.

Marion Bartoli entspricht nicht dem Prototyp einer Tennisspielerin, das tat sie nie. Sie fiel immer auf, war immer anders als das Gros der Konkurrentinnen.

Die Französin hat die wohl seltsamste Technik überhaupt, allein ihre kuriose Art aufzuschlagen, findet man nicht grundlos in keinem Lehrbuch. Ihr zappeliges Verhalten, mit dem sie vor jedem Return die Gegnerinnen reizt und nervt, sicherlich auch nicht. Und sie passt ebenso wenig in das bevorzugte Bild der schönen, großen Tennisspielerin. Bartoli ist bloß 1,70 Meter groß und wiegt deutlich mehr, als es Athletinnen gemeinhin empfohlen wird. Das weiß sie auch, doch bei ihr hat das üppige Gewicht Methode. Austrainiert ist sie dennoch, für sie stehen mehr Kilo aber für mehr Power. Einst bezeichnete die „Süddeutsche“ die resolute Französin mal als „Kampfkugel“. Vor sechs Jahren stand Bartoli erstmals im Finale von Wimbledon, am Samstag steht sie wieder dort, gegen Sabine Lisicki. An ihrer unorthodoxen Art kann also nicht alles verkehrt sein.

„Ich glaube, dass ich es verdiene, hier zu stehen“, sagte Bartoli vor dem Endspiel im All England Club, immerhin als Nummer 15 der Welt. Die Siebte war sie schon mal. Aber Bartoli ist sich bewusst, dass sie bei vielen mit ihrer Spielweise und auch als Typ aneckt, doch die mittlerweile 28-Jährige hat immer gemacht, was sie wollte. Besser gesagt, was ihr Vater wollte. Denn Dr. Walter Bartoli gab sogar seine Arztpraxis in Retournac auf, um seine Tochter zu einer Spitzenspielerin zu formen. Doch er tat mehr, als sie nach dem Vorbild von Monica Seles mit beidhändigem Vor- und Rückhandgriff zu trainieren, und sie zu drängen, mehr und mehr zu essen. Er machte seine Tochter völlig abhängig von sich, ohne ihn wirkte Marion Bartoli geradezu hilflos. Während ihrer Matches brauchte sie seinen Blickkontakt so dringend wie ihren Schläger, und da sie auch ohne ihren Vater nicht für Frankreich im Fed Cup antreten wollte, zerstritt sie sich schon vor Jahren mit dem Verband und verweigerte ihre Teilnahme.

Das Verhältnis zwischen Vater und Tochter blieb dabei jedoch keineswegs konfliktfrei. Mal flogen die Fetzen, dann vertrugen sie sich wieder. Es kam vor, dass sie ihn mitten im Match der Tribüne verweisen ließ – die Stimmungsschwankungen erreichten ein ungesundes Ausmaß. In diesem Jahr trennte sich Bartoli schon zweimal von ihrem Trainervater, zuletzt vor den French Open. Ihre Saison war durchwachsen verlaufen, bei keinem Turnier schaffte sie mehr als zwei Siege in Folge – bis Wimbledon. Und obwohl sie zu den Top 20 gehört, hätten die wenigsten Bartoli nach den Aufs und Abs der vergangenen Jahre und den zahlreichen Verletzungen noch einmal den Sprung in ein Grand-Slam-Finale zugetraut.

„Ich bin eine große Wettkämpferin“, sagt Bartoli von sich selbst, und das hat sie mit ihrer heutigen Gegnerin gemein. Was Verbissenheit und Willen anbelangt, steht keine der anderen nach. Wobei Lisicki den härteren Weg ins Finale hatte, Bartolis höchstplatzierte Gegnerin war die junge Amerikanerin Sloane Stephens als Nummer 17 der Setzliste.

Dennoch beeindruckte die souveräne Art, mit der sich die Französin ihren Weg durchs Tableau bahnte. Seit Amelie Mauresmo vor einem Jahr Fed-Cup-Chefin wurde, und sie Bartoli in jeder Hinsicht unterstützt, hat diese wieder mehr Halt gefunden. Und sie reist nun mit Thomas Drouet als Trainingspartner, der berühmt wurde, als ihm Bernard Tomic’ Vater mit einer Kopfnuss die Nase brach.

Marion Bartoli scheint sich freizuschwimmen, doch Dr. Walter Bartoli spielt immer noch eine entscheidende Rolle in ihrem Leben: Sie telefonieren regelmäßig, und er reist für das Finale nach London an. „Das ist sehr wichtig für mich“, sagte sie, „denn mein Vater ist mit allem so eng verbunden und ich will diesen Moment mit ihm teilen.“

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