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Bei einer Winter-WM würde er nicht so lächeln. Geschäftsführer der Premier League Richard Scudamore.

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Live von der Insel - Die Fußballkolumne über England: Der ewige Kampf gegen die Fifa

England kämpft mutig gegen die immer unverständlicheren Entwicklungen bei der Fifa. Doch unser Kolumnist ist überrascht, dass sich die britischen Verbalsoldaten beim Thema Valcke und Katar erstaunlich bedeckt halten.

Wie fast überall auf der Welt genießt die Fifa in England kein gutes Ansehen. Normalerweise rangiert der Verband irgendwo zwischen „böse“ und „absurd“. Ausnahmsweise entstammt diese Einstellung nicht unserem grundsätzlichen Misstrauen gegenüber allen übernationalen Regierungsorganen. (Deutsche, freut euch über unsere EU-Beiträge, solange wir sie noch zahlen). Nein, zumindest in diesem Fall verabscheuen die Engländer etwas zu Recht.

Schauen wir mal auf das Katar-Rätsel. Nicht nur die Entscheidung, die Fußball-WM 2022 im Wüstenstaat auszutragen, wird übereinstimmend als fraglich angesehen. Die meisten Zeitungen auf der Insel bezeichnen die Fifa ohne Angst vor eine Beleidigungsklage als „korrupt“. Dazu geht die Debatte über die Zeit der Austragung fröhlich weiter.

Erstmals erlebten wir Sepp Blatter, wie er in all seiner Pracht, eine Kehrtwende vollzog. Früher war er gegen die Idee einer Winter-WM, um dann plötzlich eine Task-Force zu gründen, die eine mögliche Verlegung prüfen sollte. Der Fifa-Präsident entwickelt sich so langsam von einem bösen Oberork zu einem realitätsfremden Elben, der einfach wie ein Fähnchen im Wind weht. Dass ein so unpopulärer Mann auch solch ein eifriger Populist sein kann, ist eines der größten Rätsel unserer Zeit.

Derweil hat sich nun der Fifa-Generalsekretär einen Patzer geleistet. Jerome Valcke ist in dieser Woche anscheinend von der Parteilinie abgewichen, als er einem französischen Radiosender die Pläne für eine Winter-WM bestätigte.

Das schöne an der unendlichen Pannenserie der Fifa ist, dass Englands große Ansammlung von meinungslosen Experten jetzt überhaupt nicht über eine Meinung nachdenken muss. Sie tun das, was die Engländer am besten können: Entrüstung zeigen. Egal, ob informiert oder eher nicht: Es gibt es nur eine richtige Einstellung zur Katar-WM.

Diese Einstellung hat zuletzt Ron Atkinson bestätigt. Der frühere Trainer von Manchester United ist entschlossen, nicht nur dafür in die Geschichte eingehen zu wollen, dass er einmal Marcel Desailly live im Fernsehen rassistisch beleidigt hat. Inzwischen wirft er sich mit Verve in die Katar-Debatte und stellt die alles entscheidende Frage: "Warum wurde das Turnier überhaupt an Katar vergeben?"

Interessanter ist da schon, dass Premier-League-Chef Richard Scudamore sich noch nicht zu Valckes Vorstoß geäußert hat. Dabei versteht sich das Alphamännchen unter der Nomenklatur der Premier League normalerweise als der wichtigste Gegner der Fifa bei diesem Thema. Und hat durchaus auch schon Vernünftiges zum Thema beigetragen. Eine Entscheidung für eine Winter-WM wäre seiner Meinung nach "moralisch zu verurteilen".

Doch damit belegt Scudamore nur, dass seine Einstellung genauso lächerlich ist wie die der Fifa. Der WM wird alles von politischer Korruption bei der Wahl bis zu der Ausnutzung von Zwangsarbeitern vorgeworfen. Aber das moralisch Bedenkliche ist für Scudamore, dass die europäischen Ligen ein bisschen Geld verlieren würden.

Vielleicht ist es daher gut, dass er bisher kein Kommentar zu Valcke abgegeben hat. Vielleicht wurde er beraten, seine Rhetorik ein bisschen zu überdenken, bevor er etwas sagt. Plötzlich bin ich voller Hoffnung, dass der englische Fußball ein Tick weniger arrogant rüberkommt. Dass Leute wie Scudamore vielleicht ein bisschen besser über ihre Aussagen nachdenken, bevor sie sprechen. Es ist Hoffnung und Angst zugleich, dass England damit eine seiner wichtigsten Eigenschaften verlieren würde.

Und dann lese ich einen Kommentar unter einem Zeitungsartikel zu Katar: "England sollte die Fifa verlassen, und so wieder die Welt beherrschen" lautet er. Da ist er noch. Mein liebes, verwirrtes England mit seinem Dickschädel und nur einen Tick einfacher zu verstehen, als die Fifa selbst.

Kit Holden (@kitholden) ist Engländer und arbeitet derzeit als Praktikant beim Tagesspiegel. Er schreibt auch über deutschen Fußball für die englische Tageszeitung "The Independent".

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