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Sport: Lob für die EM 2000: Offensive Ausrichtung der Mannschaften sorgt für Freude und viele Tore

Volle Stadien, viele Tore, hohe Einschaltquoten: "König Fußball" heißt der große Sieger der Europameisterschaft 2000. "Wir haben das größte Fest seit vielen, vielen Jahren erlebt.

Volle Stadien, viele Tore, hohe Einschaltquoten: "König Fußball" heißt der große Sieger der Europameisterschaft 2000. "Wir haben das größte Fest seit vielen, vielen Jahren erlebt. Ein Fußball-Fest, das sogar die Weltmeisterschaft vor zwei Jahren in Frankreich übertrifft", bewertete Franz Beckenbauer die Titelkämpfe in Belgien und den Niederlanden in Superlativen: "Wir haben schnellen, direkten Fußball gesehen. Fußball, der uns allen das Herz öffnete." Mit seiner Einschätzung in einer Kolumne liegt der "Kaiser" auf einer Wellenlänge mit allen Fußball-Größen von einst. "Es war eine großartige Europameisterschaft, die Techniker sind zurück", schwärmte auch Frankreichs Idol Michel Platini. Und auch der beste Fußballer aller Zeiten, der Brasilianer Pele, stimmte in die Lobeshymnen mit ein. "Es war sicherlich die offensivste Europameisterschaft seit vielen Jahren", sagte er. In der Tat: In den 30 Spielen bis zum Finale gab es 82 Tore, im Durchschnitt also 2,73 Treffer pro Spiel und so viel wie zuletzt bei der Europameisterschaft 1984 in Frankreich.

Die für die Europäische Fußball-Union (Uefa) und ihren Dachverband Fifa wertvollste Erkenntnis des 22-tägigen Spektakels aber ist: Ungeachtet - oder trotz? - der inflationären Entwicklung in den Klub-Wettbewerben mit der erweiterten Champions League und der Vereins-Weltmeisterschaft scheint in fast allen Ländern die Nationalmannschaft nach wie vor das höchste Gut der Fußball-Fans zu sein. Selbst in der Türkei, wo der Klub-Fanatismus wohl am Ausgeprägtesten ist, fand die Landesauswahl nach ihrem Einzug in das Viertelfinale eine Beachtung wie nie zuvor.

"Wer gesagt hat, wir brauchen keine Nationalmannschaften, muss sich spätestens nach diesem Turnier korrigieren. Die Nationalmannschaften blühen und spielen einen wunderbaren Fußball. Sie sind unverzichtbar", stellte Fifa-Präsident Sepp Blatter voller Zufriedenheit fest. "Die Europameisterschaft war ein durchschlagender Erfolg, mit der die ganze Diskussion beendet wurde, ob Nationalmannschaften an Bedeutung verloren haben oder nicht", pflichtete Uefa-Generaldirektor Gerhard Aigner bei. Der Regensburger sprach gar von der "besten Europameisterschaft, die jemals gespielt wurde".

Die Resonanz ließ keinerlei Wünsche offen. Über eine Million Besucher strömten in die fast immer ausverkauften Stadien, die in vielen Fällen sogar zu klein für den Ansturm der Fans waren. Im Schnitt kamen 35 840 Zuschauer pro Begegnung. Auch die Einschaltquoten der TV-Sender bestätigten ein ungebremstes Interesse des Fußball-Konsumenten am Kräftemessen der Ländermannschaften. Dies galt auch bei ARD und ZDF, die selbst in der K.o.-Runde überraschend hohe Marktanteile von über 60 Prozent vermeldeten, obwohl die als Appetitanreger untaugliche deutsche Mannschaft bereits aus dem Rennen war.

"Wir hatten das Vergnügen, durch wunderbaren Fußball unterhalten zu werden", meinte Uefa-Präsident Lennart Johansson und urteilte angesichts der zeitweise brillanten Vorstellungen von Mannschaften wie Frankreich, Holland und Portugal: "Technisch war es das Beste, was ich jemals gesehen habe." Mit innovativen Regeländerungen und Erneuerungen tragen die führenden Funktionäre von Fifa und Uefa - allen voran Reformer Blatter - die Hauptverantwortung für die fortschreitende Entwicklung zum Tempo-Fußball, in dem diejenigen glänzen, die mit dem Ball umgehen können - und nicht diejenigen, deren Stärke in der schonungslosen Bekämpfung des Gegenspielers liegt. "Die Techniker kommen wieder mehr zur Geltung, weil sie mehr geschützt werden", befand Michel Platini. An Deutschland ist diese Entwicklung vorbeigegangen, ebenso an England und an den skandinavischen Nationen. Diese Vertreter des von der Athletik geprägten Fußballs, deren Dominanz in Europa in den letzten zehn Jahren nur von Frankreich durchbrochen werden konnte, mussten beim kollektiven Vorrunden-Desaster erkennen, dass sie schlichtweg zu schlecht mit dem Ball umgehen.

Der vor allem vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) gemachte Versuch, die fehlenden Talente mit dem Bosman-Urteil und dem daraus resultierenden Vormarsch der Ausländer zu erklären, entlarvt sich beim Blick auf andere Nationen als billige Ausrede. Finalist Italien und Spanien besitzen ein Heer von Nachwuchskräften, obwohl in ihren Ligen weit mehr und stärkere Ausländer spielen als in der Bundesliga. Dass sich das deutsche Fußball-Oberhaus bei seiner Qualitäts-Beurteilung maßlos überschätzt, wurde bei der Europameisterschaft ebenfalls deutlich. Wie die deutsche Mannschaft selbst spielte auch das Gros der Bundesliga-Legionäre nur die Rolle des Mitläufers.

"Die Europameisterschaft 2000 war eine denkwürdige Veranstaltung. Probleme gab es nur außerhalb der Stadien durch bestimmte Personengruppen", meinte Johansson mit Blick auf die Ausschreitungen vornehmlich englischer Hooligans. Das Experiment, die EM in zwei Länder auszutragen, klappte besser als vielerorts gedacht. Dennoch dürfte das "Co-Hosting", das bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2002 in Japan und Südkorea auf eine viel härtere Probe gestellt wird, kaum eine Zukunft haben.

Zwei Länder, eine WM - "Unser Ziel ist es, der Welt zwei Länder mit zwei Sprachen zu präsentieren, die als Einheit auftreten", erklärte Yasuhiko Endoh, der Generalsekretär des japanischen Organisations-Komitees (JAWOC), bei einem gemeinsamen Pressetermin mit den Kollegen des südkoreanischen Pendants (KOWOC) vor dem EM-Finale in Rotterdam. Die WM-Vorbereitungen in Japan und Südkorea laufen auf Hochtouren. Die 20 Stadien - jeweils zehn pro Land - sollen spätestens im Herbst 2001 fertig gestellt sein. Das Fassungsvermögen reicht von mindestens 40 000 bis maximal 70 564 Zuschauern im bereits fertigen International Stadium von Yokohama in Japan, wo am 30. Juni 2002 der neue Weltmeister gekürt werden wird. Für die deutsche Nationalelf geht es zunächst einmal um die Qualifikation, bei der sich ihr England, Finnland, Griechenland und Albanien in den Weg stellen.

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