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Sport: Löcher in Liverpool

Leverkusens schlechte Abwehrarbeit mindert die Chancen auf das Viertelfinale

Unverhältnismäßig leise war es an der Anfield Road unmittelbar nach dem 3:1, aber nicht leise genug, dass man die Unterhaltung zwischen Jörg Butt und Jan-Ingwer Callsen-Bracker auf der Tribüne hören konnte. Um was es ging, war auch so klar. Der 20-jährige Innenverteidiger von Bayer Leverkusen stand da recht mutlos an der Strafraumkante und deutete auf verschiedene Bereiche des Spielfelds, deutete schnelle Angriffszüge und die rätselhaften Laufwege der Gegenspieler vom FC Liverpool an. Butt schaute sich das Ganze eine Weile mehr oder weniger stumm an, dann winkte er mit seiner großen Torwarthand heftig ab, als gelte es eine lästige Fliege zu verscheuchen. So ging Bayer von der großen Bühne ab.

Ob sie nach dem Rückspiel in der Bayarena diese Saison noch einmal mit den ganz Großen spielen dürfen, ist fraglich. Der Abstauber von Franca in der Nachspielzeit, das erste Tor einer deutschen Mannschaft in Anfield seit 28 Jahren, hält Bayer zwar „am Leben“, wie später Trainer Klaus Augenthaler im Trophäensaal bescheinigte. Doch in seinem Mienenspiel hatte internationaler Optimismus gegen niederbayrisches Grantlertum keine Chance. Die unübersehbaren Probleme in der Abwehr hatten dem Trainer die Freude am späten Auswärtstor gründlich verdorben. Callsen-Bracker, der den verletzten Kapitän Jörg Nowotny ersetzen musste, kam zwar in den ersten Minuten gut mit den langen, hohen Bällen aus der Klamottenkiste des englischen Fußballs zurecht, doch als die keineswegs überragenden Liverpooler ein paar einfache Steilpässe spielten, stand er oft falsch.

Nur Torwart Butt bewahrte als zweifacher Sieger im Eins- gegen-Eins gegen Liverpooler Stürmer seine Elf vor größerem Schaden. Augenthaler nahm den international unerfahrenen Ersatzmann Callsen-Bracker in Schutz, zumindest ein bisschen: „Ein paar Unsicherheiten, okay. Aber was kann ich von einem Callsen-Bracker erwarten? Soll der mit seinen 20 Jahren von hinten das Spiel eröffnen?“

Weil Placente ebenfalls schwächelte, zeigte sich am Dienstag in dem abwechslungsreichen, wegen vielen Unzulänglichkeiten auf beiden Seiten aber nie hochklassigen Champions-League- Match, was man bei auch bei jedem Parkkick beobachten kann – die Leistung der begabtesten Dribbler und coolsten Torjäger ist nicht mehr viel wert, wenn die Löcher in der Abwehr zu groß sind. Dieses existenzielle Problem dürfte Bayer trotz der baldigen Rückkehr von Roque Junior weiter verfolgen, und, so ist zu befürchten, auch die größeren Ziele in der Liga unerreichbar machen. Ohne die Stabilität in der Defensive drohen die Leverkusener ein vermeintlich schon längst ausgedientes Klischee zu erfüllen: das der schön spielenden Technikertruppe, der für Titel eine Menge Härte und Entschlossenheit fehlt.

Nach dem 4:2 gegen Nürnberg war viel von der Stärke bei ruhenden Bällen geredet worden; in Liverpool hatte man den Eindruck, Bayer hätte vielleicht zuvor zu viele Standardsituation geübt. „Beim ersten Freistoßtor geht Paul Freier in dem Moment weg, wo der schießt. Da fehlen mir die Worte“, grämte sich der Trainer, „beim zweiten ist auch keiner hochgesprungen. Das war wie beim Freistoß-Training mit den gelben Männchen, die können auch nicht hoch springen.“

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