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Sport: Lösung ohne Mittel

Das Frischkleben beim Tischtennis ist ab sofort verboten – darauf verzichten muss trotzdem keiner

Auf ein Tischtennisspiel kann man sich auch auf Bierbänken in einem Festzelt vorbereiten. So haben es fast alle Teilnehmer der Weltmeisterschaft in Zagreb getan. Vor der Sporthalle war ein kleines Zeltdorf aufgebaut, und mindestens einmal am Tag schauten die Spieler dort vorbei, um ihre Schlägerbeläge frisch auf das Holz zu kleben. Dieses Frischkleben ist eine Kuriosität des Sports und gehört schon seit fast 30 Jahren zum Tischtennis. Inzwischen hat der Internationale Tischtennis-Verband (ITTF) jedoch angeordnet, dass nicht mehr in der Halle geklebt werden darf – wegen der gesundheitsschädlichen Lösungsmittel in den Klebstoffen. In Zagreb überraschte die ITTF die Spieler dann mit diesem Entschluss: Frischkleben mit den herkömmlichen Klebern ist ab sofort verboten.

Dieser Entschluss des Verbands hat die kleine Tischtennis-Welt gehörig durcheinander gewirbelt. Das Frischkleben gehört schließlich zum Spiel wie Ball und Netz. Bis hinunter in den Breitensport verwenden es vor allem die Angriffsspieler. Der Effekt ist einfach: Die Lösungsmittel des Klebers dringen in den Schwamm des Schlägerbelags, blähen ihn auf und erzeugen durch die Spannung einen höheren Katapulteffekt. Mehr Tempo und mehr Rotation sind die angenehmen Folgen davon. Das Unangenehme ist ein bis heute unbekanntes Risiko für die Gesundheit der Spieler.

Eigentlich wollte die ITTF erst nach den Olympischen Spielen 2008 in Peking beim Kleben hart durchgreifen. Ein Verbot der Kleber würde schließlich das Spiel verlangsamen, die Spieler müssten sich umstellen: auf Kleber auf einer anderen chemischen Basis oder auf Beläge, denen ein Frischklebeeffekt schon durch eine Vorbehandlung eingebaut ist. Das Niveau in Peking könnte darunter leiden. Doch dann kam dem Verband ein Fall zu Ohren: In Japan soll ein Spieler nach mehrmaligem Frischkleben mit einem Allergieschock ins Krankenhaus eingeliefert worden sein. Das war wohl der letzte Ausschlag für ein sofortiges Verbot.

Über die gesundheitlichen Risiken ist schon viel spekuliert worden. Als die Gerüchte über die Krebsgefahr der Dämpfe allzu heftig wurden, setzten sich manche Spieler sogar mit Gasmaske in die Umkleidekabine. Mittlerweile sind zwar nur noch sogenannte „grüne Kleber“ zugelassen, doch auch sie enthalten Lösungsmittel, über deren mögliche Schäden für die Gesundheit noch nichts bekannt ist.

Neben der Gesundheit geht es der ITTF aber auch ums Image. Der Verband befürchtet, dass das Frischkleben fürs Tischtennis ähnlich rufschädigend werden könnte wie das Doping für andere olympische Disziplinen. Mit dem Verbot ist der Verband nun zunächst fein raus. Es ist ein Signal an das Internationale Olympische Komitee: Seht her, wir tun etwas für einen sauberen Sport. Bei den Spielen 2008 im Tischtennis-Land China wird die Sportart schließlich im Blickpunkt stehen wie noch nie zuvor.

Die Spieler und auch die nationalen Verbände hat die ITTF jedoch vor ein großes Rätsel gestellt. „Wir kennen bislang nur die Pressemitteilung der ITTF und haben noch sehr viele Fragen“, sagte Thomas Weikert, der Präsident des Deutschen Tischtennis-Bundes. Es scheint mit dem Frischkleben nämlich so ähnlich zu sein wie beim Haschisch. Es ist eigentlich verboten, aber bestraft wird man nicht dafür. Das ist allein schon ein technisches Problem, denn der Verband hat noch kein Gerät, das zweifelsfrei die Nutzung von lösungsmittelhaltigen Klebstoffen messen kann. Die ITTF hat angekündigt, nach den Spielen in Peking, also ab dem 1. September 2008, eine „Null-Toleranz-Politik“ bei lösungsmittelhaltigen Klebern mit einem neuen Testverfahren einzuführen. Bis dahin kleben die Tischtennisspieler sicher eifrig weiter – die Haftung übernehmen sie selbst.

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