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Sport: Löw logiert

Nach dem Zwischenfall im Österreich-Spiel muss der Bundestrainer auch das Viertelfinale gegen Portugal auf der Tribüne verfolgen – das Kommando auf der Bank wird sein Assistent Hans-Dieter Flick führen

Auch Fußball-Trainer haben so ihre Rituale. Von dem Gespann Joachim Löw und Hans-Dieter Flick weiß man, dass die beiden sich an Spieltagen ihrer Mannschaft immer absprechen, welche Garderobe sie am Abend am Rand des Feldes tragen werden. Heute Morgen aber wird sich die Absprache zwischen den beiden Herren nicht nur auf die Kleiderordnung beschränken. Flick wird nämlich nicht der treue Gehilfe des Bundestrainers sein. Wenn die Mannschaft heute Abend im EM-Viertelfinale auf Portugal trifft (20.45 Uhr/live in der ARD), wird Flick als Cheftrainer fungieren. Der eigentliche Bundestrainer muss das Spiel in Basel von der Tribüne aus verfolgen. Nach seinem Platzverweis im Spiel gegen Österreich hielt der europäische Fußballverband Uefa die in solchen Fällen vorgesehene Ein-Spiel-Sperre für Löw aufrecht. In Berufung zu gehen, ist in diesem Fall lauf Uefa-Regeln nicht möglich. Löw wird damit zum normalen Tribünengast ohne Kontakt zum Team.

Von Hans-Dieter Flick weiß die breite Öffentlichkeit bislang nicht allzu viel. Seit August 2006 ist der 43-Jährige der Assistent des Bundestrainers, aber anders als sein Vorgänger im Amt des Kotrainers ist Flick eben noch nicht in Erscheinung getreten als derjenige, der etwa aus einer Wackelpudding-Abwehr eine funktionierende Defensivkette zimmert, wie es Löw 2006 in der WM-Vorbereitung tat. Der Heidelberger Flick, der als Spieler beim FC Bayern einige Meisterschaften feierte, trainierte vormals die TSG Hoffenheim. Das allerdings zu einer Zeit, als noch nicht die Millionen des SAP-Gründers Dietmar Hopp flossen. Vor seiner Anstellung beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) war er als Assistent von Trainer Giovanni Trapattoni in Salzburg tätig. „Jeder steht hier in der Verantwortung“, hat Flick neulich geantwortet, als er auf sein Aufgabengebiet angesprochen wurde.

„Ich muss die Uefa-Entscheidung zur Kenntnis nehmen und möchte sie nicht kommentieren. Natürlich bin ich maßlos enttäuscht“, sagte Löw gestern. „Ich kann sehr wohl verstehen, dass sich unser Bundestrainer ungerecht behandelt fühlt“, sagte Theo Zwanziger. Gleichwohl versuchte der DFB-Präsident, die schlechte Nachricht in eine gute umzuwandeln: „Ich bin ganz sicher, dass für die Mannschaft damit ein zusätzlicher Motivationsschub gegen Portugal verbunden sein wird und sie ihren Trainer im EM-Halbfinale wieder auf der Bank haben wollen.“ Weit emotionaler fiel der Kommentar Oliver Bierhoffs aus. „Wir Aktive können diese Entscheidung der Uefa nicht nachvollziehen und haben absolut kein Verständnis dafür“, sagte der Manager der Nationalmannschaft. Selbst der Trainer des heutigen deutschen Gegners sieht es ähnlich wie Bierhoff. Portugals Trainer Luiz Felipe Scolari sagte: „Wenn ich die Uefa beeinflussen könnte, würde ich ihr sagen, sie soll die Entscheidung zurücknehmen.“

Bis gestern hatte Löw gehofft, dass die Uefa die Sperre aufhebt. Im letzten Vorrundenspiel am Montagabend in Wien waren Löw und Österreichs Trainer Josef Hickersberger nach einem Streit mit dem vierten Offiziellen vom spanischen Schiedsrichter Mejuto Gonzalez in der 41. Minute auf die Tribüne verbannt worden. Löw hatte lautstark moniert, dass der vierte Offizielle ihn und Hickersberger an der Arbeit in der Coaching-Zone hindere. Aber auch Hickersberger muss nun für ein Spiel auf die Tribüne – er muss seine Sperre im ersten Qualifikationsspiel für die WM 2010 absitzen.

Die Verbannung des Trainers aber hatte die Deutschen nicht am Siegen gehindert. „Ich weiß nicht, ob die Zukunft der Cheftrainer nicht auf der Tribüne liegt und der dann per Funk seinem Kotrainer die Anweisungen gibt“, hatte Torwart Jens Lehmann gesagt. Einen zusätzlichen Trainer auf der Tribüne, das ist in vielen Sportarten üblich und derartiges hatte Berti Vogts ja schon vor einem Jahrzehnt bei Bayer Leverkusen probiert. Selbst Löw fand sogar: „Ich habe von oben schon ein paar gute Erkenntnisse gewonnen. Vielleicht bin ich der erste Trainer, der gar nicht mehr runter geht.“ Das allerdings war wohl mehr ein Scherz, zudem kann Löw von der Tribüne heute gar nicht einwirken, ihm nutzen die Vorteile des großen Überblicks nicht: Gegen Portugal wird Löw laut Uefa-Regularien nach Betreten des Stadions keinen Kontakt mehr zu seinen Spielern oder einem Team-Mitglied aufnehmen dürfen. Strikt untersagt ist auch der Einsatz von Mittelsmännern oder technischen Kommunikationsmöglichkeiten. Die Umkleidekabine und der Stadion-Innenraum sind für Löw Tabu-Zonen.

„Keine Angst“, sagte Bierhoff, „bis dahin werden unsere Trainer alle Strategien, alle nötigen Absprachen und Eventualitäten abgesprochen haben.“ Da die Sperre mit dem Abpfiff endete, könnte Löw anschließend auf der Pressekonferenz erscheinen. Ob das aber passieren wird, ist fraglich. Schon nach dem Österreichspiel hatte diesen Job Hans-Dieter Flick übernommen. Meinungsseite

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