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Sport: Löwe mit acht Beinen

Chelseas Stars siegen, ähneln sich aber zu sehr

Keine Schiedsrichter-Kontroverse, keine Verschwörung, kein schmollender Trainer José Mourinho: Chelsea gegen Barcelona ist auch nicht mehr das, was es mal war. Der Uefa-Beobachter erlebte am Mittwoch einen angenehmen Abend, nur in der Halbzeitpause musste er kurz aktiv werden, um die Verletzung der strengen Werberichtlinien – und ein schlimmes Modeverbrechen – zu ahnden. Barcelonas Trainer Frank Rijkaard war in einem Sakko des offiziellen Ausrüsters mit eingesticktem Schriftzug in Gold erschienen. Äußerst schmierig sah das 45 Minuten lang aus, besonders in Anbetracht der Tatsache, dass Barca viel Aufhebens um seine traditionell kommerzfreien, in diesem Jahr das Unicef-Logo zierenden Trikots macht. Vor dem Wiederanpfiff musste Rijkaard das Jackett wechseln.

Mangelnde Stilsicherheit konnte man seinen Leuten auf dem Platz zu Beginn nicht vorwerfen. Deco, Xavi und Ronaldinho ließen den Ball hübsch laufen, sie kontrollierten die Partie in der Gruppe A, in der beide Teams offensichtlich nur auf einen Punktsieg aus waren. Die Künstlergruppe aus Barcelona kam zwei, drei Mal mit sehr präzisen Zickzack-Pässen gefährlich vor den Kasten von Hilario, dem Ersatz des Ersatztorwarts; doch mit fortschreitender Dauer driftete die Souveränität ein wenig ins Bornierte ab. Als Chelseas Didier Drogba die Gäste nach der Pause mit dem 1:0 überfiel, konnten sich die Granden nicht mehr aus der eigenen Behäbigkeit reißen. Chelsea dagegen rauschte plötzlich wie ein hochfrisierter Lastschlepper durch das offene Mittelfeld, und mit dem überragenden Michael Essien am Steuer kam ordentlich Fahrt rein. Michael Ballacks Eingriffe ins Spiel waren eher chirurgischer Natur. Hier und da unterband er die Ballzirkulation des Gegners, ab und an schnitt ein scharfer Pass die Abwehr auf, beinahe wären ihm zwei Torvorlagen geglückt.

Chelseas kraftvolle Konter hätten „das Spiel früher töten“ müssen, klagte Trainer Mourinho nach dem letztlich souveränen Sieg. Das war eine etwas unglückliche Wortwahl, denn am Vorabend war eine Stadionmitarbeiterin bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen. Drogba widmete ihr sein Tor und wirkte noch lange nach dem Schlusspfiff wirklich betroffen. „Wir sind eine große Familie“, sagte er leise. Kollege Frank Lampard erinnerte an den mit einem Schädelbruch im Krankenhaus liegenden Torwart Petr Cech: „Er war heute immer in unseren Gedanken.“

Chelsea wurde letztlich wieder seinem Ruf als unverwüstlicher Ergebnis-Apparat gerecht, doch es war diesmal nicht das Kollektiv, sondern die individuelle Klasse des unaufhaltbaren Drogba, die den Ausschlag gab. Die Blauen sind mit Lampard, Ballack und Essien vor Claude Makelele im Mittelfeld schwer zu schlagen, das Quartett leidet aber offensichtlich unter der Ähnlichkeit seiner Mitglieder. Der Löwe, den der Klub im Wappen trägt, hat diese Saison acht Beine; ein Paar Flügel würden ihm besser stehen.

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