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Lukas Podolski, Fußball-Nationalspieler und bei der EM 2012 im Eisnatz.

© dapd

Lukas Podolski vor seinem 100. Länderspiel: "Ein Traum - und ein gewisser Stolz"

Das Spiel heute Abend gegen Dänemark könnte Lukas Podolskis 100. Länderspiel sein, wenn er aufgestellt wird. Damit wäre er der jüngste Spieler in Europa mit dreistelliger Länderspielzahl. Das ist ihm wichtig - aber nicht zu sehr.

Die Historie hat auch mitgespielt, als Lukas Podolski die große Bühne betreten hat. Bundespräsident Johannes Rau saß am 6. Juni 2004 auf der Tribüne in Kaiserslautern, die ungarische Nationalmannschaft war geladen worden, in Erinnerung an den WM-Sieg der Deutschen von 1954, und in den Tagen vor dem Spiel war auffallend oft vom Wunder von Bern die Rede.

Auch als im Quartier der Nationalmannschaft im Schwarzwald die Zukunft vorstellig wurde. Zwei junge Burschen saßen dort auf dem Podium, die gerade mit der deutschen U 21 bei der EM im eigenen Land gescheitert waren und die jetzt den träge gewordenen deutschen Fußball retten sollten. Doch als Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski ihren ersten Auftritt hatten, ging es erst einmal um die Vergangenheit, um das Finale in Bern, das 3:2 gegen Ungarn, um Fritz Walter und Helmut Rahn. „Ich kann mich an das Spiel gar nicht richtig erinnern“, sagte Podolski, der an diesem Tag 19 wurde.

Zwei Tage später bestritt der Kölner sein erstes A-Länderspiel, in der 74. Minute wurde Podolski für Fredi Bobic eingewechselt. In den offiziellen Büchern wird die Begegnung, die mit einem blamablen 0:2 gegen Ungarn endete, als „Jubiläumsspiel: 50 Jahre Wunder von Bern“ geführt. Es ist aber gut möglich, dass sie einmal als das Spiel in die Geschichte eingehen wird, in dem Deutschlands Rekordnationalspieler debütiert hat.

Podolskis Nationalmannschafts-Karriere in Bildern:

Wenn die Nationalmannschaft heute im dritten EM-Vorrundenspiel auf Dänemark trifft (20:45 im Liveticker), wird Lukas Podolski sein 100. Länderspiel bestreiten. Er ist vor zwei Wochen 27 geworden, kein anderer Spieler in Europa war jünger, als er diese Marke übertroffen hat, und wenn Podolski in diesem Tempo weitermacht, wird er schon in vier Jahren Lothar Matthäus (150 Länderspiele) als Rekordhalter ablösen. „Ich habe immer gesagt, dass die 100 eine Marke ist, die ich erreichen möchte, ein Traum und auch ein gewisser Stolz“, sagt Podolski. „Aber es ist nicht mein Ziel, einer Statistik hinterherzujagen. Es gibt 1000 wichtigere Dinge.“

Um Podolskis Geschichte richtig zu verstehen, muss man zurück in die Vergangenheit. In eine Vergangenheit, die aus heutiger Sicht ziemlich dunkel erscheint. Vor der EM 2004 war der Ruf nach Erneuerung im deutschen Fußball immer deutlicher zu vernehmen. Doch Rudi Völler, der Teamchef, wehrte sich mit Kräften. Er setzte lieber auf Bobic und Ziege, Wörns und Hamann.

Dieses Frische und Freche, das Podolski und Schweinsteiger verkörperten, schien ihm irgendwie nicht geheuer. Poldi und Schweini brauchten einen gemeinsamen Auftritt, um das Land für sich einzunehmen. Eine „Stimmung wie auf einem Kindergeburtstag“ registrierte die „FAZ“ nach ihrer ersten Pressekonferenz im Schwarzwald.

Podolski hat sich das Kindergeburtstagige bis heute bewahrt, während sich Bastian Schweinsteiger immer mehr zum Staatsmann wandelt. Das wird einem bewusst, wenn sie, wie in dieser Woche, an zwei aufeinander folgenden Tagen zur Pressekonferenz erscheinen. Gemeinsame Auftritte gibt es schon lange nicht mehr. Schweinsteiger redet bei solchen Anlässen, wie er Fußball spielt: überlegt und auch mal auf Sicherheit bedacht. Aber er hat auch immer mal einen verbalen Schnittstellenpass im Repertoire. Podolski bollert einfach los. Genauso wie auf dem Platz. Das heißt: Im Moment bollert er nicht so richtig.

Die EM erlebt einen derart zurückgenommenen Podolski, dass schon spekuliert wird, er könnte bei seinem Jubiläumsspiel gar nicht in der Startelf stehen. Bisher ist er nicht großartig aufgefallen – weil ihm aufgetragen worden war, die Defensive zu unterstützen. „Es ist klar, dass mein Offensivspiel darunter leidet“, sagt Podolski. Das ist noch vorsichtig ausgedrückt.

Im Grunde hat sein Offensivspiel bisher nicht stattgefunden. „Lukas hat viel nach hinten gearbeitet, in der Offensive kann er vieles noch steigern“, sagt Hans-Dieter Flick, der Assistent von Bundestrainer Joachim Löw. „Wenn er in der Offensive seine Aktionen hat und zum Torabschluss kommt, ist es perfekt.

Dass Podolski um seinen Platz in der Mannschaft fürchten muss, ist nach den Erfahrungen der Vergangenheit nicht zu erwarten. Löw hat schon vor Monaten bemerkt, „dass der Lukas bei den Turnieren immer seine Tore und wichtige Assists hatte“. Der Bundestrainer hat den Offensivspieler immer aufgestellt, gerade wenn es im Verein für ihn nicht lief. Niemand hat unter Löw öfter gespielt als Podolski. „Der Lukas ist stark, wenn er in die Tiefe, wenn er mit vollem Tempo in die Schnittstelle geht“, sagt der Bundestrainer. „Wenn er die Wege ohne Ball macht, gibt es wenige, die ihn aufhalten können.“´

An Antrieb sollte es Podolski nicht mangeln. Qualifizieren sich die Deutschen fürs Viertelfinale, spielen sie es in Polen, Podolskis Geburtsland. Erreichen sie das Finale, könnte der Kölner sein 103. Länderspiel bestreiten und damit Franz Beckenbauer einholen.

Was ihm Beckenbauer, Klinsmann und Kohler noch voraus haben, ist ein Titel mit der Nationalmannschaft. Im Trainingslager vor ein paar Wochen in Südfrankreich wurde Podolski mit der Aussage konfrontiert, dass in Tussauds Wachsfigurenkabinett alle Europameister ausgestellt würden, die mindestens 100 Länderspiele bestritten hätten. Podolski machte eine kurze Pause, dann sagte er: „Die waren schon bei uns im Hotel und haben die Maße genommen.“

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