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Riesenstimmung in Linate. Bei der Ankunft am Mailänder Flughafen wurde Lukas Podolski mit Sprechchören begrüßt. Normalerweise pfeifen Inter-Fans ihre Spieler derzeit eher aus.

© dpa

Lukas Podolski zum Medizincheck in Mailand: Podolski und Inter: Die Seilschaft zweier Versehrter

Lukas Podolski ist in Mailand eingetroffen, um den Medizincheck bei Inter zu absolvieren. Der Klub ist längst nicht mehr so groß wie sein Name.

Einen schönen Vorgeschmack auf sein neues Abenteuer erhielt Lukas Podolski am Freitagabend. Beim Eintreffen auf dem Mailänder Flughafen Linate feierte ihn eine Hundertschaft Inter-Fans mit Sprechchören. Der Kölner jubelte im blauschwarzen Schal des neuen Arbeitgebers zurück. Riesenstimmung in Linate.

Einen Vorgeschmack auf dunklere Zeiten gab es allerdings ebenfalls. Denn in die Podolski-Gesänge streuten die Fans zahlreiche Schmähungen gegen Juventus Turin und den Lokalrivalen AC Mailand ein. Zur Abwechslung ließen sie den eigenen Verein mal aus. Der war in letzter Zeit oft das Ziel verbaler Attacken. Trainer Walter Mazzarri wurde von den Fans so häufig ausgebuht, dass Inters Präsident Erick Thohir, eigentlich kein Freund unnützer Ausgaben, den Coach trotz üppiger Millionengage aus der Schusslinie nahm und Roberto Mancini als Nachfolger verpflichtete. Der arbeitet auch nicht zum Billigtarif. Thohir war bereits in der letzten Saison vor den Fans eingenickt. Da hatte er den schon so gut wie über die Bühne gegangenen Verkauf des Mittelfeldspielers Fredy Guarin zu Juventus urplötzlich abgeblasen. Die Fans hatten lautstark im Stadtzentrum Mailands protestiert.

Lukas Podolski kommt also in turbulente Gewässer. Vom Glanz des Champions-League-Triumphes gegen die Bayern 2010 sind nur ein paar Poster an der Wand geblieben. Stars gibt es keine; Mittelstürmer Mauro Icardi macht vor allem wegen seiner fotogenen Frau auf sich aufmerksam. Er spannte sie seinem früheren Teamkollegen Maxi Lopez aus – der Rosenkrieg war ein Dauerbrenner in den sozialen Medien. Mittelfeldlenker Hernanes wäre wegen seines Ballgefühls ein Anwärter auf den Starstatus, wenn seine Gedankenpausen nicht gar zu lang wären. Seinen Platz in der Schaltzentrale hat der Brasilianer gegen den eher defensiv eingestellten Chilenen Gary Medel verloren.

Zu nennen wäre noch der Kroate Mateo Kovacic – ein Dribbler vor dem Herrn, freilich mit dem Makel, den besser postierten Nebenmann gern zu übersehen. In seiner Verzweiflung angesichts des mäßigen Spielerkaders setzte Mancini Kovacic sogar gelegentlich als Mittelstürmer ein.

Nach wilden taktischen Experimenten scheint sich der frühere Coach von Manchester City nun auf ein 4-2-3-1-System festlegen zu wollen. Dazu braucht er dynamische Männer auf den Flügeln. Podolski war mal so einer. „Ich kenne ihn von der Premier League her gut“, sagte Mancini optimistisch. „Er kann verschiedene Rollen übernehmen und wird uns sicher weiterhelfen.“ Podolski betonte bei seiner Ankunft am Flughafen: „Der Trainer hat mich unbedingt gewollt.“ Ein schöner Kontrast zu Arsenals Arsène Wenger, der zuletzt alles wollte, nur nicht Lukas Podolski auf dem Rasen. Als Inter den Deutschen ausleihen wollte, zögerte er nur aus taktischen Gründen.

Wie es die gute Sitte von Neuverpflichtungen verlangt, hat Podolski sich bereits über die Erwartungen informiert. „Ich will meinen Teil dazu leisten, dass Inter zurück in die Champions League kehrt und wir vorher in der Europa League gewinnen“, sagte er. Geschickt umdribbelte er auch die erste Gefahrenstelle. Als Fans ihn fragten, ob er bereit sei zum sogenannten Derby d’Italia am Dienstag gegen Juventus, meinte er nur: „Mal sehen.“ Er stellt sich nicht mehr selbst auf – ein Lerneffekt.

Zumindest ein Einsatz von der Bank aus sollte aber drin sein. Die Konkurrenz auf seiner Position ist nicht übermächtig. Joachim Löws gefallener Kronprinz hat in Mailand gute Gelegenheit zur Rehabilitation. In Italien feiert man ihn als Weltmeister – trotz nur 53 Minuten Einsatzzeit in Brasilien. Man ist bescheiden geworden südlich der Alpen. Realistisch betrachtet stellt die temporäre Bindung von Podolski an Inter den Versuch zweier Versehrter dar, sich gegenseitig als Krücken zum Aufstieg zu benutzen.

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