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Sport: Mach mal Urlaub

Ronaldo wird von Brasiliens Nationaltrainer für die nächsten Spiele freigestellt

Wie bei einer Schlange schnellt die Zunge blitzschnell aus Parreiras Mund. Wandert über die Lippen von links nach rechts und von rechts nach links. Dann verschwindet sie kurz, ehe das Schauspiel erneut beginnt. Diese Manier zeigt der brasilianische Nationaltrainer immer dann, wenn er nervös ist. Zurzeit brodelt es im 62 Jahre alten Trainer der Seleção. Die Gesten sind bescheiden, die Stimme ist ruhig, die Sätze sind trocken. Aber die Zunge will nicht still stehen, als er am Montagabend die sofortige Freistellung von Ronaldo aus dem Kader der Nationalmannschaft erklärt: „Er hat persönliche Probleme als Motive dafür benannt, dass er sich im Moment nicht hundert Prozent der Seleção widmen kann.  Daraufhin haben entschieden, ihn freizustellen.“

In der Mittagszeit hatten beide miteinander telefoniert. Anschließend war Carlos Alberto Parreira persönlich bei seinem Stürmer vorbeigefahren, zu einem Gespräch unter vier Augen. Beide sind Nachbarn, wohnen im selben Wohnkomplex in Rio de Janeiro. In der Unterredung hatte der dreifache Weltfußballer seinem Chef die persönlichen Probleme der jüngsten Vergangenheit dargelegt und mehr Urlaub gefordert. Die Stichworte dazu lauten: Trennung von seiner Partnerin, dem brasilianischen Model Daniela Cicarelli, nach nur dreimonatiger Ehe, eine vorausgegangene Fehlgeburt des Paares und die Turbulenzen bei Real Madrid in der abgelaufenen Saison.

Öffentlich bekundete Parreira Verständnis für die Probleme Ronaldos und entließ den Stürmer mit den besten Wünschen in den Urlaub. Ronaldo muss weder den Konföderationen-Pokal noch die bevorstehenden WM-Qualifikationsspiele gegen Paraguay und Argentinien mitspielen. Von dieser Entscheidung zeigte sich der Stürmer überrascht: „Das war nicht das, was ich wollte, aber ich akzeptiere die Entscheidung, und ich werde meine Ferien zum Ausruhen nutzen.“

Parreiras genehmigter Urlaub ist vermutlich aber doch nur eine Strafmaßnahme, die er nur nicht als solche deklariert. Parreira hatte schon in den letzten Tagen deutlich gemacht, wie wichtig ihm der Konföderationen-Pokal ist. In Deutschland wollte er endlich in Ruhe und über mehrere Spiele hinweg das Duo Adriano/Ronaldo testen. Das geht nun nicht mehr. Bleibt die offene Frage, ob Parreira so verärgert ist, dass selbst die WM-Teilnahme Ronaldos gefährdet ist. Gegen diese Vermutung spricht, dass es Parreira war, der Ronaldo vor elf Jahren in die Nationalmannschaft holte. Ronaldo ist zudem der einzige Brasilianer, der alle 13 Partien in der WM-Qualifikation begonnen hat. Und mit acht Treffern ist der 28-jährige Stürmer der Toptorjäger in der Südamerikagruppe. Beim 3:1 Sieg gegen Argentinien hat er alle drei Treffer erzielt.

Die kommende Pause will Ronaldo zum Nachdenken nutzen. Nicht immer kommt beim Brasilianer dabei etwas Vernünftiges heraus. Ende Februar sagte Ronaldo beispielsweise: „Ich befinde mich in einem hervorragenden, ganz besonders spektakulären Moment meiner Karriere.“ Der Satz stimmte nur nicht. Ronaldo hatte nämlich gerade zwei Monate lang das Tor nicht getroffen und eine mäßige Hinrunde gespielt.

Madrids Trainer Luxemburgo musste sich etwas einfallen lassen, erarbeitete ein Spezialprogramm für Ronaldo und brachte ihn zurück zur Höchstform: Ronaldo legte ein beeindruckendes Saisonende hin. Er erzielte acht Tore in den letzten acht Spielen. Seine Leistungsschwankungen zeigen aber auch, dass Ronaldo einer der am stärksten belasteten Spieler der Welt ist. Sein Vertrag in Madrid sieht zudem erheblich mehr Werbetermine vor als für andere Spieler, was dazu führt, dass Ronaldo tatsächlich weniger Urlaub hat. Angeblich sollen es zehn Tage sein, im Vergleich zu 30 bis 40 Tagen bei seinen Mitspielern. Deshalb wollte er auch noch Madrids Asienreise im Juli schwänzen. Das wiederum erboste Luxemburgo, der anordnete: „Seine Freizeitprobleme muss er mit Brasilien klären.“ Ronaldo hat es versucht, Parreira hat geantwortet.

Andreas Klinger[Madrid], Frank Kohl[Sao Paulo]

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