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Coffee to go. Während Theo Zwanziger einen letzten Schluck nimmt, hält sich Wolfgang Niersbach zur Verfügung.

© dpa

Machtkampf um DFB-Spitze: Einer muss gewinnen

Nach Zwanzigers Rückzug von der DFB-Spitze tobt der Machtkampf unter den potentiellen Nachfolgern – derzeit gibt es aber noch keinen klaren Favoriten um das höchste Amt beim DFB.

Berlin - Nach dem angekündigten Rücktritt von Theo Zwanziger ist im Deutschen Fußball-Bund (DFB) die Debatte um die Nachfolge des Präsidenten voll entbrannt. Nach Informationen des Tagesspiegels plant Zwanziger offenbar, sein Amt im kommenden Oktober an einen externen Kandidaten zu übergeben, stößt damit jedoch bei führenden Funktionären auf Ablehnung. Ebenfalls in Stellung bringen sich hinter den Kulissen DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach sowie der Chef des Süddeutschen Verbandes, Rainer Koch. Beide Kandidaten suchen nach Informationen aus Verbandskreisen Rückhalt in den Verbänden – allerdings ohne Zwanzigers Segen, der sich zuletzt mit Koch überworfen hatte und trotz gegenteiliger öffentlicher Aussagen („Er wäre ein geeigneter Präsident“) auch von Niersbach abgewendet haben soll. Als Kompromisskandidat hätte Ligapräsident Reinhard Rauball durchaus gute Chancen. Alle drei wollten sich am Samstag auf Nachfrage nicht äußern.

Im öffentlich ausgetragenen Teil der Diskussion ging Niersbach zunächst in Führung. Neben Zwanziger sprach sich auch sein Förderer Franz Beckenbauer für ihn aus. „Wolfgang Niersbach ist in meinen Augen der Beste“, sagte Beckenbauer, der mit Niersbach bei der Organisation der WM 2006 eng zusammengearbeitet hatte. Der 61 Jahre alte Niersbach kam als Sportjournalist 1988 zum DFB und wurde Pressechef. In der Administration stieg er aufgrund seines eloquenten Auftretens und seiner genauen Arbeitsweise zum Generalsekretär auf, er pflegt engen Kontakt zur Nationalmannschaft. In den Amateurverbänden stößt der hauptamtlich tätige Niersbach jedoch auf Skepsis. Zudem galt er lange als Mann Zwanzigers. Dieser soll sich aber zuletzt im DFB-Präsidium über die Arbeit der Administration beschwert haben, zudem lehnte Zwanziger einen von Niersbach ausgehandelten Sponsorenvertrag mit einer Brauerei ab. Ein externer Kandidat, wie ihn Zwanziger offenbar sucht und schon kontaktiert haben will, ist nicht im Interesse von Niersbach, heißt es aus der Verbandszentrale. Es wäre auch ein Novum in 111 Jahren DFB.

Noch mehr gegen den Willen Zwanzigers wäre eine Kandidatur von Rainer Koch. Der DFB-Vize und langjährige Sportrichter, der sich in Süddeutschland zum Chef des einflussreichsten Regionalverbandes wählen ließ, blickt auf eine lange Funktionärskarriere im Hintergrund zurück. Mit Zwanziger überwarf er sich im Zuge der Affäre um den früheren Schiedsrichter-Obmann Manfred Amerell. Vor zwei Jahren gab er seine Zuständigkeit fürs Schiedsrichterwesen an Zwanziger ab, nachdem er nicht umgehend von den Vorwürfen sexueller Nötigung gegen Amerell erfahren hatte. Zuletzt war es zum offenen Streit zwischen Koch und seinem Chef über ein Mediationsverfahren mit Amerell gekommen, das Koch vorantrieb und Zwanziger torpedierte, obwohl er es selbst initiiert hatte. Koch wurde im DFB-Präsidium degradiert, einem offenen Machtkampf ging der 52-Jährige aus dem Weg. Als DFB-Chef müsste Koch mit Zwanziger wieder enger zusammenarbeiten, da der bis 2013 in der Uefa-Exekutive und bis 2015 in der Fifa-Exekutive weitermachen will und sich offenbar dort eine Zukunft erhofft. Der großen Öffentlichkeit ist Koch weitgehend unbekannt, in den Amateurverbänden genießt er aufgrund nachhaltiger Gremienarbeit durchaus Rückhalt. Dies könnte für eine mögliche Kampfabstimmung entscheidend sein; auch Zwanziger kam 2004 als „Präsident der Amateure“ überhaupt ins Amt.

Im größten Sportverband der Welt geht nach Zwanzigers Rückzug, den er mit Amtsmüdigkeit begründete, der aber wohl vor allem der heftigen Kritik an seinem immer schlechteren Krisenmanagement geschuldet ist, die Angst vor einem monatelangen Machtkampf um. „Hoffentlich überstehen wir mit dieser Konstellation überhaupt die EM“, sagte ein hochrangiger Funktionär, der nicht genannt werden will. Beckenbauer sprach von einer „Verzweiflungstat“ Zwanzigers. Auch wichtige Kollegen wie Niersbach und engste Vertraute wie Schatzmeister Horst R. Schmidt gaben zu, am Freitagabend von der Entscheidung überrascht worden zu sein. „Damit habe ich wirklich nicht gerechnet“, sagte Schmidt. Selbst Bundestrainer Joachim Löw wurde während der EM-Auslosung in Kiew vor vollendete Tatsachen gestellt. Zwanzigers Ambition, in der Machtfrage noch mitzureden („Ich bin seit einigen Monaten mit einer Persönlichkeit im Gespräch.“), wird nach der letzten Volte um seinen Rückzug in der DFB-Zentrale nur noch als Wunschdenken eingeschätzt.

Als allseits geachteter Kandidat aus dem Fußball könnte am Ende Ligapräsident Reinhard Rauball das Rennen machen. Der 64-Jährige vertritt zwar als Präsident von Borussia Dortmund den Profifußball, hat es sich aber mit den Amateurverbänden, etwa bei den Verhandlungen über die Verlängerung des Grundlagenvertrags, nie verscherzt. Geschickt hatte sich Rauball zuletzt öffentlich von Zwanziger abgesetzt – nach dem Suizidversuch des Schiedsrichters Babak Rafati breitete Zwanziger mit gewohnt großer Geste intime Details des Geschehens aus, während Rauball dem Referee lediglich gute Genesung beschied. Auch mit der Bundespolitik ist das SPD-Mitglied Rauball gut vernetzt, wie sich gerade beim Gipfel gegen Fangewalt in Berlin zeigte.

Dem deutschen Fußball stehen nun turbulente Monate bevor. Theo Zwanzigers Äußerung, nach der es für ihn „in Deutschland keine Herausforderung mehr gibt“, entbehrt da nicht einer gewissen Ironie.

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