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Sport: Manchester - Bayern: Weiße Wölkchen beim Bankett

Ein Spiel gegen Manchester United, so lehrt die moderne Fußball-Geschichte seit dem 26. Mai 1999, ist erst dann vorbei, wenn es in der Nachspielzeit noch einmal Eckball für den Englischen Meister gibt und auch noch dessen Torwart mitstürmt.

Ein Spiel gegen Manchester United, so lehrt die moderne Fußball-Geschichte seit dem 26. Mai 1999, ist erst dann vorbei, wenn es in der Nachspielzeit noch einmal Eckball für den Englischen Meister gibt und auch noch dessen Torwart mitstürmt. Ob er in diesem Moment noch einmal an den dramatischsten Schlussakt gedacht habe, den jemals ein Fußballspiel genommen hat? Diese Frage an Ottmar Hitzfeld hatte so kommen müssen. Nein, antwortete der Trainer des FC Bayern. Die Erinnerung an die Nacht von Barcelona sei ihm nur einmal kurz gekommen, als Zickler in der 82. Minute den Ball an die Latte schoss. Auch damals, im Champions-League-Finale von 1999, hatten die Münchner zweimal die Metallstangen getroffen, bevor ihr Albtraum seinen Lauf nahm. Im Unterschied zu damals aber hielt die Konzentration der Deutschen bis zum Schlusspfiff, und weil es kein Endspiel, sondern eben nur der erste Part des Viertelfinales war, stürzte sich sich Manchester Torhüter Barthez nicht in den Strafraum der Bayern, sondern traute sich beim letzten Eckball nur bis zur Mittellinie. Es wäre nämlich keine Überraschung gewesen, wenn der FC Bayern in den letzten Sekunden auch noch das 0:2 im Stadion Old Trafford gelungen wäre.

Ein Champions-League-Spiel des FC Bayern München kann erst dann abgehakt werden, wenn der Kaiser seine Rede gehalten hat. Das weiß jedes Kind in Deutschland, seit Franz Beckenbauer vor vier Wochen beim Bankett nach dem 0:3 gegen Olympique Lyon die vermeintlichen Stars vom Deutschen Meister als Uwe Seeler-Traditionsmannschaft beschimpft hatte. Diesmal aber kräuselten sich überm Vorstandstisch friedliche weiße Wölkchen aus der Zigarre des Präsidenten. "Es gibt nicht viele Mannschaften auf der Welt, die von sich behaupten können, sie haben bei Manchester United verdient gewonnen", sagte Beckenbauer. Und dann in einem ernsten Nachsatz: "Aber wir haben noch nichts erreicht."

Ob es ein gutes oder schlechtes Jahr war, darüber soll in der Vorzeigefirma des deutschen Fußballs erst am 23. Mai abgerechnet werden. Fans tun sich da leichter. Sie sangen "Football is coming home", und sie werden wohl noch oft erzählen, dass sie Old Trafford und 68 000 englische Fans zum Schluss ähnlich im Griff hatten, wie Effenberg und Jeremies Manchesters Schaltzentrale mit Scholes, Keane und Beckham. Falls sich der sportliche Stolz des Empire in zwei Wochen unterm Zeltdach des Olympiastadions verabschieden sollte, dann muss der größte Fußball-Konzern der Welt umdenken. Die teuerste Mannschaft auf diesem Globus war doch nicht so stark, wie sie gemacht, geredet und geschrieben wurde. Es könnte sich schon zeigen, dass das sportliche Image Manchesters zu sehr auf den wundersamen Ereignissen jener Nachspielzeit von Barcelona basiert. Und weniger auf den echten Qualitäten eines David Beckham oder Ryan Giggs, die ihren Status auch der mangelnden Konkurrenz in der Premiere-League verdanken.

Im Unterschied zum deutschen Serienmeister hat das Ensemble von Alex Ferguson die Geschäftsgrundlagen fürs nächste Jahr schon geschaffen. Manchester United wird mit 15 bis 20 Punkten Vorsprung den 14. Meistertitel feiern. Bayern München aber versäumt, in der Bundesliga für klare Verhältnisse zu sorgen. Zum erstenmal seit sechs Jahren könnte Geschäftsführer Hopfner im Sommer sogar Geld sparen, wenn der Briefkopf für eine weitere Saison gilt. "Wir haben ja nichts in der Hand", sagt Hitzfeld, "in der Bundesliga gibt es sechs Mannschaften für den Titel, und da kannst du ganz leicht aus der Qualifikation für die Champions-League fliegen." Eine solch kritische Phase hat der erfolgsverwöhnte Trainer noch nicht erlebt, seit er an der Säbener Straße arbeitet.

Warum geht seine Mannschaft nur in der Champions League an ihre Grenzen? Warum schludert sie im Bundesliga-Alltag? Dass vor allen Dingen ältere Spieler wie Effenberg, Lizarazu, Scholl oder Sergio ihre Kraft auf diesen Wettbewerb konzentrieren, den letzten großen Titel in der Karriere als besonderen Kick nehmen, will Hitzfeld nicht gelten lassen. Fast trotzig sagt er: "Wir können uns in dieser Saison keine Niederlage mehr leisten". Ob sein Glaube ans Gute aufgeht, wird man schon am Samstag sehen. Beim Gastspiel im Dortmunder Westfalenstadion.

Martin Hägele

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