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Alles ein wenig verworren. Ein Sport leidet unter seinen Bewertungen. Foto: dpa

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Manipulationsskandal: Zu viele Entwertungen bei Sportgymnastik

Die Zukunft der Rhythmischen Sportgymnastik steht nach dem Manipulationsskandal auf dem Spiel.

Sogar der Chef spricht von einem „Kochtopf voller Lügen“. Mit klaren Worten hat Bruno Grandi, der Präsident des Welt-Turnverbandes FIG, erstmals die Zukunft der Rhythmischen Sportgymnastik massiv infrage gestellt. „Die Rhythmische Sportgymnastik ist degeneriert. Es gilt, alles neu zu erfinden, auch neue Wertungsvorschriften. Es gibt heute keine Rechtmäßigkeit der Bewertungen, und bis es diese nicht gibt, wird der Sport weiter verfallen“, kritisierte der 79-jährige Italiener kurz vor den Weltmeisterschaften in Kiew im Interview des Fachmagazins „Leon“.

Vor fünf Wochen hatte die FIG nach einem aufgedeckten Manipulationsskandal in der olympischen Sportart harte Strafen ausgesprochen. Insgesamt 56 Kampfrichterinnen mussten nach Unregelmäßigkeiten bei Lehrgängen Ende 2012 in Bukarest, Moskau und Alicante ihre Lizenzprüfungen wiederholen, weil sie auffällig gute Ergebnisse erzielt hatten. Die frühere Vorsitzende des Technischen Komitees, die Polin Maria Szyszkowska, wurde aus der FIG ausgeschlossen, alle Mitglieder des Technischen Komitees wurden wegen unerlaubter Absprachen suspendiert.

„Es ist nicht meine Absicht, sie rauszuwerfen, auf keinen Fall. Sie sind ein gewähltes Gremium, das habe ich zu respektieren. Sie werden mich nun hassen, das kann ich sogar verstehen, denn ich habe den Deckel eines Kochtopfs voller Lügen und Regelverstöße angehoben“, sagte Grandi. „Mein Ziel ist es, neue Regeln zu schaffen und damit dem IOC zu beweisen, dass die Rhythmische Sportgymnastik auch korrekter arbeiten kann.“

Mit deutlicher Kritik reagierte Grandi auch auf die Bestrebungen von einflussreichen russischen Verantwortlichen, den Sieg um jeden Preis anzustreben. „Wenn es in einer Sportart nur einen Sieger gibt, dann verfällt beziehungsweise verkommt dieser Sport“, sagte Grandi zur erdrückenden Siegesserie der Russen im vergangenen Jahrzehnt und wies Bemerkungen der russischen Startrainerin Irina Winer zur Entscheidung der FIG-Disziplinarkommission zurück. Sie hatte behauptet, die Aufgabe Russlands sei es, „immer und überall zu gewinnen“. Grandi: „Ich glaube, das ist schlecht für den Sport. Die anderen Teams tendieren dann dazu, sich zurückzuziehen.“

Gegen die Urteile der Disziplinarkommission laufen derzeit Einsprüche der Betroffenen. „Aber auch ich habe Einspruch gegen das Urteil eingelegt. Sie haben entschieden, dass die Kampfrichterinnen keine Schuld trifft. Nein, nein! Das kann nicht sein, sie haben die Antworten gekannt und benutzt“, kritisierte Grandi in dem Interview. Der Präsident wehrte sich auch gegen Forderungen, die Gymnastik aus dem Turn-Weltverband herauszulösen und einen eigenen Verband zu gründen. „Es scheint, dass diese Idee von einem starken Land schon mal formuliert wurde. Wenn es das tun will. Aber dann wird die RSG keine olympische Sportart mehr sein, denn der vom IOC anerkannte Fachverband ist die FIG“, sagte Grandi. (dpa)

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