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Sport: Mannschaft ohne Mut

Borussia Dortmund findet einfach kein Mittel, um dem AC Mailand beizukommen

Dortmund. Christoph Metzelder ist ein kluger Mann, der die Dinge einzuordnen weiß. Immer wieder ist der Nationalspieler vor der Champions-League-Begegnung gegen den AC Mailand auf jenes denkwürdige Spiel im April angesprochen worden, als der BVB die Italiener mit 4:0 aus dem Westfalenstadion gefegt hatte: „Wissen Sie“, hat Metzelder gesagt, „so ein Spiel gibt es doch nur alle 20 Jahre.“

Ob Borussia Dortmund einen solchen Festakt vor 2022 noch einmal erleben wird, ist ungewiss. Am Mittwoch hat der BVB sich dem Tabellenführer der italienischen Liga mit 0:1 beugen müssen. Statt eine erneute Gala zu beklatschen, verfolgten 52 000 Zuschauer im eisig kalten Westfalenstadion den verzweifelten Versuch, einen perfekt organisierten Gegner wenigstens ein wenig in Bedrängnis zu bringen. Das Tor durch Mailands Stürmer Filippo Inzaghi war für den BVB gleichbedeutend mit dem Todesstoß. Bis auf einen krachenden Lattentreffer von Tomas Rosicky in der Nachspielzeit hatte Dortmund keine Möglichkeit, wenigstens ein Remis mitzunehmen.

Es war deprimierend zu beobachten, wie untauglich die Dortmunder Mittel waren. Zu keiner Phase des Spiels vermittelte der Deutsche Meister den Eindruck, als habe er eine reelle Siegchance. Ein frustrierendes Eingeständnis der eigenen Unzulänglichkeit war das, die von den Zuschauern verstanden wurde. Selten ist eine Begegnung im Westfalenstadion so ruhig und teilnahmslos verfolgt worden, wie der Kick gegen Mailand.

Den Gästen konnte das nur Recht sein, schließlich kontrollierten sie die Abläufe auf dem Rasen mit der humorlosen Souveränität eines Polizisten, der den Verkehr auf einer viel befahrenen Kreuzung regelt. „Wenn die Bezeichnung kompakt auf eine Mannschaft zutrifft, dann auf den AC Mailand“, hatte Trainer Matthias Sammer gesagt.

„Bis zum 16-er haben wir eigentlich ganz gut gespielt“, sagte Lars Ricken, „aber die letzte Entschlossenheit hat gefehlt. Du darfst gegen eine solche Mannschaft nicht versuchen, den Ball reinzutragen.“ Eine Erkenntnis, die spät kam. Zu spät. Dass seine Spieler nicht in der Lage waren, diesen Transfer bereits auf dem Spielfeld zu leisten, ärgerte Sammer maßlos. Für den Sachsen war es keine Frage, dass der Grund für die Niederlage eher in der Schwäche seiner Profis als in der Stärke des Gegners zu suchen war. Sammer vermisste „die Überzeugung, dass Du gegen eine solche Mannschaft auch gewinnen kannst“. Statt den Gegner mit Feuer und Leidenschaft aus dem Gleichgewicht zu bringen, spielte der BVB den Gästen mit seiner uninspirierten Spielweise ideal ins Blatt. Nicht nur Dortmunds Trainer vermochte nicht nachzuvollziehen, warum Tugenden wie Kampf und Einsatzwillen selbst zu einem Zeitpunkt ausgeblendet wurden, als längst klar war, dass es mit Finesse nicht klappen würde. Er habe „kein Verständnis dafür“, sagte Sammer, „wenn der ein oder andere versucht, hier nur schön zu spielen“. Sammer nannte keine Namen, gemeint haben wird er Marcio Amoroso. Der brasilianische Torjäger durfte von Beginn an spielen, blieb jedoch alles schuldig, was ein Klassestürmer bringen muss, um auf großer Bühne bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

Die Mannschaft aus Mailand agiert eiskalt. Ihre Ausbeute in der Zwischenrunde: Zwei Tore, sechs Punkte – Effizienz am Rande der Perfektion. Zudem haben die Italiener ihren Gegner mächtig ins Grübeln gebracht. Im Dortmunder Lager will nach zwei Begegnungen der Zwischenrunde zwar niemand davon reden, dass die Klasse nicht reicht, um mit den Besten in Europa mitzuhalten, aber nachdenklich hat die Vorstellung gegen Milan alle gemacht. Bedenken, dass die Motivationslage nicht unbedingt glänzend sein dürfte, wischte Sammer in bekannt klarer Diktion vom Tisch: „Was soll das?“, fragte der 35-Jährige grimmig, „wir wollen schließlich Deutscher Meister werden. Wer sich zu früh ausruht, hat den Beruf verfehlt.“

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