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Sport: Marathon im Sambodrom

Im Sommer 2016 will Rio de Janeiro sich als friedliche, freundliche Weltstadt zeigen. Doch die radikalen Umbaumaßnahmen rufen Amnesty International und die UN auf den Plan.

Das Video zeigt die heile Olympiawelt: Vier Kinder verschiedener Hautfarben präsentieren Rio als Austragungsort der Spiele 2016. Die Sonne brennt, das Meer glitzert, alles super: So suggeriert es das offizielle, fast zehn Minuten lange Filmchen. Und man kann ja auch euphorisch werden. Erst findet 2014 in Brasilien die Fußball-WM statt, zwei Jahre später starten die ersten Olympischen Spiele Südamerikas. In einer der spektakulärsten Städte der Welt und in einem Land, das sich nicht nur wegen seiner Wirtschaftsmacht, sondern auch wegen seiner Multikulturalität als Land der Zukunft begreift. „Als Gott die Welt erschuf, bereitete er Rio auf Olympia vor“, jubelte Brasiliens Ex-Präsident Lula da Silva nach der Vergabe der Spiele an Rio. Bis es los geht, hat die Stadt aber auch nach Einschätzung wohlgesonnener Beobachter mit drei gravierenden Problemen zu kämpfen: Stadtumbau, Kriminalität und Korruption.

Da sind zunächst einmal die Neu- und Umbauten. Aufgrund des großen Flächenbedarfs und explodierender Immobilienpreise erlebt Rio zurzeit eine soziale Umwälzung. Unter dem Verdrängungsprozess leiden vor allem die Armen. Stehen deren Häuser Infrastrukturprojekten im Weg, werden sie nach kurzer Benachrichtigung und unter Anwendung von Polizeigewalt abgerissen. Sogar die UN haben dieses Vorgehen scharf kritisiert.

Ein Beispiel ist der Parque Olimpico, das Herzstück der Spiele im Viertel Barra de Tijuca. Auf einer Million Quadratmeter entstehen dort die Anlagen für 14 Disziplinen, etwa Basketball, Radfahren und Gymnastik. Doch dazu mussten zuerst hunderte Familien umgesiedelt werden. Der Baubeginn verzögerte sich, weil ein Gericht den Plan für illegal erklärte.

Zwangsumsiedlungen finden auch rund um das Maracana-Stadion statt, ebenso entlang drei neuer Schnellbuslinien. Zwar betonen Politiker, dass die Bewohner Entschädigungen erhielten, aber Amnesty International bezweifelt diese Praxis. Die Zahlungen seien lächerlich.

Bei anderen Projekten kommt den Planern hingegen die Topografie Rios entgegen. Auf der Lagune im Zentrum wird gerudert und im Yachthafen Marina da Gloria mit Blick auf den Zuckerhut gesegelt. An der Copacabana soll Beachvolleyball gespielt werden. Eine schöne Idee ist es, den Marathon im Sambodrom enden zu lassen, in dem sonst der Karneval tobt. Ebenso, den Hafen auszubauen, damit dort Kreuzfahrtschiffe die Hotels entlasten, von denen es noch zu wenig gibt.

Doch was ist mit Rios Dauerproblem, der Kriminalität? Bis vor wenigen Jahren hatte die Stadt wegen ihres Drogenkriegs eine Mordrate wie der Irak. Die Gewaltkultur schlug sich in hunderten Raubüberfällen nieder. Dann begann man damit, die Gangs aus einigen Favelas zu vertreiben und Einheiten der sogenannten Friedenspolizei UPP zu stationieren. Die Favelas wurden sozusagen an den Staat angeschlossen. Bisher kann das Experiment als geglückt gelten. Bis 2014 sollen 40 der rund 1000 Armenviertel befriedet werden. Es sind nur solche, die für die Sicherheit der Spiele relevant sind.

Im Gegensatz dazu wird die Korruption vernachlässigt: Rios Bürgermeister Eduardo Paes weigert sich, einen Kostenvoranschlag zu veröffentlichen. Bisher hat der Staat umgerechnet 23 Millionen ausgegeben – ein Bruchteil der auf 10 Milliarden Euro geschätzten Gesamtkosten. Man muss kein Pessimist sein, um vorauszusagen, dass einiges davon in privaten Taschen verschwinden wird.

Zunächst sind die Brasilianer aber emotional mit der Fußball-WM 2014 beschäftig. Viele sind daher verärgert über die Niederlage ihres Teams im Olympia-Finale. Brasilien hat zwar mit insgesamt 17 Medaillen mehr als je zuvor gewonnen. Aber das Land gibt sich nicht mehr mit zweiten Plätzen zufrieden. Es wird geklotzt. Nicht immer zum Wohle aller.

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