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Marcel Reif

© dpa

Marcel Reif: Hoffentlich in Frieden

Ein Zwischenruf von Marcel Reif zum Tod von Robert Enke und zur öffentlichen Trauer und Anteilnahme.

Es ist gut und richtig und wichtig, dass der DFB sein Länderspiel abgesagt hat, dass wir alle dem Wort der Woche folgen und innehalten, es ist eine große und berührende Geste, dass 35.000 Menschen in Hannover sich trauernd auf den Straßen versammeln, weil ein Mensch sich das Leben genommen hat. Ob der Sarg, in dem Robert Enke hoffentlich in Frieden ruht, im Stadion aufgebahrt werden muss, ob sein Tod und die Trauerfeier inszeniert werden darf wie der Tod Michael Jacksons, ist eine andere Sache, eine Sache indes, die mich, die uns nichts angeht, sondern nur seine Angehörigen.

Robert Enke hat sich das Leben genommen, das er nicht mehr ausgehalten hat. Das ist furchtbar, so furchtbar wie alle Suizide, die aus Verzweiflung vollzogen werden. Robert Enke war ein schwer kranker Mensch, und er ist nicht am Fußball erkrankt. Und es verbietet sich von selbst und auch zur Erhaltung von Enkes Würde, von außen anderes hineinzuschwadronieren. Der Fußball, das hat seine Frau gesagt, hat ihm immer geholfen. Gewiss ist der Fußball ein anderer geworden, und er war schon anders, als Franz Beckenbauer noch lässig sagte, „geht’s raus und spuit’s Fußball“, aber er ist trotzdem immer noch das Spiel der großen Jungs. Druck? Ja, den haben die Profis; einer wie Oliver Kahn hat nach eigener Aussage ohne Druck niemals Leistung bringen können. Ja, die Profis stehen in der Öffentlichkeit, das ist der Preis. Ob auch ein öffentlicher Tod inklusive ist, das ist eine andere Sache. In der Öffentlichkeit werden die Profis kritisiert, sie werden gelobt und sie werden verdammt, mitunter mit unziemlichen Worten.

Druck? Unter dem steht auch die Ärztin, der während der Operation der Patient unter den Händen wegzusterben droht, unter dem stehen auch die Menschen, denen in Fürth die Quelle versiegt, stehen die Opelaner. Das ist ein sehr existenzieller Druck, auch öffentlich und sehr, sehr unziemlich. Die Bundesliga, der Fußball sind Teile dieser Gesellschaft und ihre Protagonisten sind es auch. Sie sind Menschen wie Nicht-Fußballer, sie erleben Glück und Leid, Emphase und Tragik. Es gibt unter ihnen alles, was es in der Gesellschaft gibt, alles, eben auch Depressionen. Sebastian Deisler hatte noch die Kraft, dagegen anzukämpfen, Robert Enke hatte sie offensichtlich nicht mehr.

Ich halte es indes für eine ungehörige Reduzierung des Menschen Robert Enke, wenn man seine Karriere als Nationaltorhüter zur Ursachenforschung heranzieht. Robert Enke war ein Mensch, der Fußball gespielt hat. Er hat ihm nicht aus seiner heimtückischen und grausamen Krankheit geholfen. Nicht einmal das größte Geschenk der Menschheit hat ihm aus der Krankheit geholfen: die Liebe. Ich weiß nicht, ob Robert Enke seinen Frieden gefunden hat. Ich wünsche es ihm.

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