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Musste das Grätschen erst lernen: Flügelstürmer wie Arjen Robben müssen auch nach hinten arbeiten.

© dpa

Marcel Reifs Kolumne: Der Fußball hat sich verändert

Unser Kolumnist Marcel Reif befasst sich in dieser Woche mit den Veränderungen im modernen Fußball und welche Auswirkungen diese auf die einzelnen Positionen haben.

Das ist jetzt keine ganz frische Entwicklung, aber in dieser Saison trat sie sehr deutlich zutage: Der Fußball hat sich verändert. Und zwar gewaltig. Spielerpositionen, Spieleraufgaben, die jahrzehntelang festgeschrieben waren, sie gelten nicht mehr. Fangen wir hinten an, beim Torwart. Das waren doch die schönen Bilder, auf denen Torhüter zu sehen waren, die waagerecht in der Luft lagen und sich nach dem Ball streckten. Gut, dergleichen mag es heute auch ab und an geben, aber zeichnet eine spektakuläre Parade heute einen Torwart noch aus? Wenn man so will, ist eine spektakuläre Parade rückwärtsgewandt, verwaltet Ist-Zustände. Der heutige Fußball denkt nach vorne. Also ist der Torwart gefragt, der den Ball weit nach vorne wirft, der in der Lage ist, das Spiel zu eröffnen, der einen punktgenauen Pass über achtzig Meter spielen kann. So einer wie Tim Wiese ist dabei außen vor.

Gehen wir in die Abwehr. Da gab es mal Innenverteidiger. Die wurden daran gemessen, wie sie verteidigten. Werden sie auch heute noch. Aber das beherrschen sie. Doch heute müssen sie auch Pässe schlagen können, müssen, siehe oben, das Spiel eröffnen, deswegen wird einer wie Mats Hummels gehypt.

Weiter, weiter, immer weiter. Nach vorne. Die Nummer Zehn, sie galt mal als die absolute Position. Das war der Spielmacher, der Taktgeber, der Antreiber, oft auch der Wortführer. Erinnert sich noch einer an Michael Ballack? Gibt es so einen noch? Wird so einer noch gebraucht? Bastian Schweinsteiger war vielleicht mal ein Zehner, heute muss so einer viel mehr können, kann sich nicht mehr verstecken als Chef vom Ganzen, muss mitarbeiten nach hinten, in der Mitte und nach vorne.

Und vorne? Es gab mal Außenstürmer. Die stürmten außen, der eine links, der andere rechts. Kaum erinnerlich, dass die mal die eigene Hälfte sahen. An der Mittellinie war die Grenze, die wurde nicht überschritten, auch lange noch nach dem Schengener Abkommen. Arjen Robben würde heute Probleme bekommen mit seinem Trainer, wenn er sich nicht als Grenzgänger präsentierte.

Gab es nicht mal einen Mittelstürmer? Einen, der vorne drin stand und nichts tat, als Vorlagen zu verwandeln? Der eigentlich den Strafraum nur verließ, um nicht im Abseits zu stehen? So einen wie Mario Gomez? Der darf im Moment spielen. Weil die Bayern schon Meister sind, ein Käufer gesucht wird. Er macht das auch sehr gut. Aber wenn es ernst wird, gegen Barcelona zum Beispiel, wird wohl Kollege Mario Mandzukic auflaufen. Der ist auch woanders zu finden als nur im Zentrum. Der Trend geht nach vorne. Weiter, immer weiter, eigentlich doch sehr schön.

Marcel Reif ist Chefkommentator bei Sky.

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