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Wieder nichts. Werder-Kapitän Clemens Fritz (mitte) und seine Mannschaftskameraden nach der Niederlage in Gladbach am vierten Spieltag.

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Marcel Reifs Kolumne: Werder Bremen und die Gefahr der Nostalgie

Werder Bremen war einst ein Sinnbild für Ruhe und Konstanz, neuerdings ist der Klub aber in schweren Turbulenzen. Und das unter Robin Dutt und Thomas Eichin eine neue Ära nach dem Vorbild von Schaaf oder Rehhagel eintritt, scheint höchst zweifelhaft.

Es ist auch nach diesem Spiel in Mönchengladbach weiter offen, wohin Werder Bremen tendiert. Zurück zu alten Höhen, wofür der erstaunlich gute Start in diese Saison spricht? Oder doch in den Abgrund, auf den die vergangene Saison zeigte?

Raus aus dem internationalen Geschäft ist Werder erstmal, was bedeutet, dass es enorm schwer ist, dort wieder rein zu kommen. Schauen wir zurück: Werder erlebte die Ära mit Otto Rehhagel und Willi Lemke und dabei wunderbare Dinge bis hin zum Europapokal. Dann ging Rehhagel und hinterließ einen nur von ihm zu verwaltenden Kader. Es wurde schwierig für Werder. Es kam Dixie Dörner, es kam Aad de Mos, es ging drunter und drüber. Bis sie in Bremen in all ihrer Ratlosigkeit einen Trainer aus der Jugendabteilung engagierten. Das war Thomas Schaaf und der bestritt zusammen mit Klaus Allofs die zweite große Ära. Und wieder erlebte Werder wunderbare Dinge.

Da waren Spieler wie Klose, Micoud, Diego, Özil, der Fußball war attraktiv und spektakulär und es machte Spaß, ihm zuzuschauen. Und dann? Gingen zuerst dem Trainer die Pferde durch, als er von defensiver Spielweise nichts wissen wollte? Es konnte mitunter immer noch spektakulär sein, wenn Werder vier Tore bekam, aber selbst fünf schoss. Aber seriöse Beobachter warnten damals schon, dass das auf Dauer nicht gut gehen konnte.

Oder war es zuerst das Fortune, das abhanden kam, und das Gespür für die richtigen Spieler im richtigen Kader? Heute ist es müßig, danach zu forschen, ob die Henne zuerst da war oder das Ei. Denn die Folge war dieselbe. Werder Bremen, wo die Ruhe zu Hause war wie die Weser unablässig und gelassen am Stadion vorbeizieht, dieses Werder Bremen geriet in schwere Turbulenzen. Heute geht es nicht mehr darum, nach oben zu schauen. Heute geht es darum, nicht auf die Spur zu geraten, die in Richtung Abstieg führt. Es gibt im Fußball eine Systematik und nach der ist es wichtig, hinten erst einmal nicht die Bude voll zu kriegen. Das Werder der vergangenen Saison war schon eine arge Schießbude. Aber es gibt Hoffnung.

Ob Trainer Robin Dutt und Sportdirektor Thomas Eichin nun die dritte Ära angehen, nun ja, da sind Zweifel angebracht, weil es dergleichen wohl heute nicht mehr gibt, dass Trainer andere Städte nur von Auswärtsspielen kennen, ansonsten aber schön brav und romantisch am eigenen Herd bleiben und das immer gleiche Süppchen kochen. Aber nach derzeitigem Stand haben die beiden erkannt, dass Werder das Heute bewältigen muss und nicht in der Vergangenheit schwelgen darf. Das ist, auch nach der Niederlage in Mönchengladbach, der erste Schritt in eine der Vergangenheit ähnelnde Zukunft.

Der Autor ist Sky-Chefkommentator

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