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Tor-Tanz. Marek Hamsik ist die EM-Hoffnung der Slowakei.

© dpa

Marek Hamsik : von Neapel in die EM: Mit ihm wird die Slowakei gefährlich

Marek Hamsik ist der Star des slowakischen Teams. Obwohl er auf der EM-Bühne glänzt, will er Neapel treu bleiben. Und wird dort verehrt wie Maradonna.

Wer in Neapel zu Diego Maradona betet, der sollte danach zügigst einen Kaffee bestellen. An dem Altar für den göttlichen Fußballer, der in der Bar Nilo aufgestellt ist, steht ein Schild in vielen Sprachen, auch auf Deutsch: „Wenn sie das foto machen und dann keunen espresso nehmen, dann konnte ihnen der fotoapparat runtetfallen (und das ware ja wirklinch schade)... sie verstehen!“

Eine solch resolute Verehrung wie der frühere Volksheld Maradona genießt Marek Hamsik noch nicht in Spaccanapoli, der Altstadt Neapels. Doch in den Gassen nahe der Bar Nilo werden neben Diego-Krippenfiguren längst auch Püppchen des Slowaken verkauft. Und an den Hauptstraßen der Mittelmeermetropole hängen derart viele Werbeplakate vom aktuellen Starspieler des SSC Neapel, dass man meinen könnte, die Napolitaner hielten bei der Europameisterschaft nicht zum Team des ungeliebten italienischen Zentralstaates, sondern zur Mannschaft der Slowakei. Hamsik zuliebe.

Am Sonntag trifft das deutsche Team auf Hamsik

Insofern hätten die Deutschen beim am Sonntag in Lille gegen die Slowaken einige – durchaus gefährliche – Gegner mehr. Als ob Marek Hamsik allein nicht Bedrohung genug wäre.

Der Mittelfeldmann ist der Mittelpunkt des slowakischen Spiels und der Hauptgrund, warum es das kleine, 1993 gegründete Land mit seinen fünfeinhalb Millionen Einwohnern bei der ersten EM-Teilnahme gleich ins Achtelfinale geschafft hat.

Aber die Deutschen dürften längst gewarnt sein. Nicht nur weil Hamsik mit seinem Weitschuss-Tor vor dreieinhalb Wochen den slowakischen 3:1-Testspielsieg über den Weltmeister eingeleitet hatte. Auch in der EM-Qualifikation war der Spielmacher mit fünf Treffern bester Torschütze seines Teams, auch wenn er beim 2:1 gegen Europameister Spanien leer ausging. Und beim bisher einzigen EM-Erfolg im zweiten Gruppenduell mit Russland stritten die Experten hinterher, welche Aktion schöner anzusehen war: Hamsiks Traumpass über das halbe Spielfeld, der das 1:0 vorbereitete? Oder sein Schlenzer in den spitzen Winkel zum 2:0?

Hamsik besser als Ronaldo?

Unstrittig unschön war wie immer sein Jubel danach. Die tätowierten Arme ausgestreckt, den Irokesenkamm aufgestellt wie ein Dinosaurier aus „Jurassic World“ und den Mund mit den prominenten Vorderzähnen so weit aufgerissen, dass sich einige Twitter-Nutzer an einen Pavian erinnert fühlten.

Es ist aber nicht sein extravagantes Äußeres, das den sonst eher introvertierten Hamsik zu einem der bisherigen EM-Stars gemacht hat. „Hamsik besser als Ronaldo“, titelte eine Boulevardzeitung in der Heimat bereits. Bei der WM 2010, der ersten und bisher einzigen Teilnahme der Slowakei an einem großen Turnier, war er mit 22 Jahren noch an dem Druck gescheitert, der Star zu sein. Im Achtelfinale kam gegen den späteren Finalisten Holland das Aus.

Nachdem es lange hieß, Hamsik rufe für sein Land nicht die gleichen Leistungen ab wie für seinen Verein, ist er nach 90 Länderspielen und 19 Treffern mittlerweile gereift, auch wenn er nicht so aussieht. „Sein Spiel wird immer intelligenter“, lobt sein Nationaltrainer Jan Kozak. Der 28-Jährige ist inzwischen ein Box-to-Box-Spieler, der zwischen beiden Strafräumen das Spiel prägt und dominiert. So hat Hamsik vergangene Saison nur sechs Tore für Vizemeister Napoli erzielt, so wenige wie noch nie, aber dafür elf Treffer vorbereitet. Von hängender Spitze bis Abräumer vor der Abwehr, Hamsik hat längst alles im Repertoire.

Er schwört Neapel die Treue

Nicht nur sein Trainer findet daher, er solle nicht nur auf der EM-Bühne im Rampenlicht stehen. „Die Zeit ist reif, für einen noch größeren Klub zu spielen“, sagte Kozak. Meister Juventus Turin soll interessiert sein, die Klubs aus der englischen Premier League könnten mit unmoralischen Offerten aufwarten.

„Ich hoffe, meine Zukunft wird in Neapel sein“, sagte Hamsik zuletzt jedoch wieder. Schon mit 17 Jahren war er aus Bratislava nach Italien gewechselt und kam 2007 aus Brescia zum damaligen Serie-A-Aufsteiger. Neapel ist ihm mittlerweile ans Herz gewachsen. „Ich wohne hier nicht zur Miete, ich bin hier zu Hause“, sagt er. Obwohl er schon dreimal auf offener Straße überfallen wurde und man seiner schwangeren Frau mit vorgehaltener Waffe das Auto abnahm. „Das sind die Nachteile davon, in Neapel zu leben“, sagte Hamsik lapidar.

Vielleicht sind die Treueschwüre nur eine Taktik, um seinen 2018 auslaufenden Vertrag möglichst lukrativ zu verlängern. Oder er schielt darauf, seinen eigenen Schrein in Spaccanapoli zu erhalten, mit eigenen resoluten Altarwächtern.

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