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Mario Gomez: Schwierigkeiten überwunden

Mario Gomez hat seine Schwierigkeiten mit der Nationalmannschaft überwunden. Dienstagabend spielt er gegen Belgien – da, wo alles begann.

Der Bundestrainer machte von seinem Recht auf Vergesslichkeit Gebrauch. Nein, er könne sich nicht mehr an das Spiel erinnern, sagte Joachim Löw, nachdem er auf das 1:2 gegen Australien Ende März, die bislang letzte Niederlage der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, angesprochen worden war. Mario Gomez saß neben ihm. Sein Blick wirkte ernst, mit seinen Fingern knetete Gomez die Bänder seiner Trainingsjacke, und er war kurz davor, ihre Enden in den Mund zu stecken. Der Stürmer des FC Bayern München kann sich noch sehr gut an dieses Spiel erinnern – weniger weil er das 1:0 für die deutsche Mannschaft erzielt hatte, sondern weil er der Öffentlichkeit nach dem Abpfiff einen ungewohnt offenen Einblick in sein Seelenleben gewährte.

„Mein größter Konkurrent ist nicht Miroslav Klose“, hat Gomez an jenem Abend gesagt, „mein größter Konkurrent ist ein Teil der Fans.“ Seine Auswechslung war trotz des Tores mit Pfiffen begleitet worden, und für Gomez klangen sie weit bedrohlicher als für neutrale Beobachter. Tief in ihm drin muss es ziemlich düster ausgesehen haben. „Dass ich das eine oder andere Problem gehabt habe, das kann ich nicht wegdiskutieren“, sagt er selbst dazu, und Thomas Müller, sein Kollege bei den Bayern und in der Nationalelf, hat Gomez gestern noch einmal gegen die öffentliche Meinung verteidigt. Eine Frechheit sei das gewesen, wie man ihn behandelt habe: dass man Gomez als „phlegmatischen Schönling“ abgestempelt habe, „nur weil er groß ist und nicht gerade hässlich“.

Nach dieser komplizierten Vorgeschichte ist es umso bemerkenswerter, dass Gomez offensichtlich keine bleibenden Schäden davongetragen hat. „Jeder Spieler fühlt sich wohl“, hat er am Freitag nach dem 3:1-Sieg gegen die Türkei über die Atmosphäre in der Nationalmannschaft berichtet, „mittlerweile auch ich.“ Er hat dazu gelächelt, weil er den Nachsatz, bitte, als Ironie verstanden wissen wollte; denn auch wenn es nicht so ausgesehen haben mag, Gomez will sich in der Nationalmannschaft „immer sehr wohlgefühlt“ haben. Der allgemeine Eindruck war ein anderer, die Beziehung galt als vertrackt: Während der Stürmer bei den Bayern mit einer natürlichen Selbstverständlichkeit Tor um Tor erzielte, wirkte er im Trikot der Nationalmannschaft wie ein Fremder.

Heute gegen Belgien wird Mario Gomez dahin zurückkehren, wo alles begann. In Düsseldorf hat er vor viereinhalb Jahren sein erstes Länderspiel bestritten und beim 3:1 gegen die Schweiz gleich sein erstes Tor für die Nationalmannschaft erzielt. Das Debüt galt als weiterer Beleg dafür, dass da ein ausgesprochen talentierter Stürmer am Anfang einer großen Karriere stand. Dieses Versprechen aber ist seitdem nur partiell eingelöst worden. In der Nationalmannschaft wird der 26 Jahre alte Gomez weiterhin als 1b-Besetzung hinter dem sieben Jahre älteren Miroslav Klose geführt, der allerdings auch für das heutige EM-Qualifikationsspiel wegen eines Blutergusses im Knie ausfällt.

Bundestrainer Joachim Löw hat bisher eine eindeutige Präferenz für Klose gehegt, seine Wertschätzung für Gomez aber fällt kaum geringer aus: „Er ist eine Tormaschine, das muss man so klar auch sagen. Seine Fähigkeiten sind überragend gut.“ Gomez erweist sich immer dann als exzellenter Stürmer, wenn er frei von Zweifeln ist. Und das scheint inzwischen auch bei der Nationalmannschaft der Fall zu sein. „Er ist von sich überzeugt“, sagt Löw. „Nach einer schwierigen Phase hat er diese Sicherheit wiedergefunden.“ Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalmannschaft, hat bei Gomez „diese innere Ruhe“ ausgemacht, die ein Stürmer braucht: „Er wird nicht nervös, wenn es mal nicht läuft.“

Sechs Tore hat Gomez in diesem Jahr für die Nationalmannschaft erzielt, darunter vier Mal das wichtige 1:0, so wie am vergangenen Freitag, als er einen Pass von Thomas Müller aus der Luft pflückte, den Ball mit rechts an seinem Gegenspieler vorbei legte und dann aus der Bewegung heraus mit links von der Strafraumgrenze vollendete. Es war ein typisches Gomez-Tor, wie er es vor allem in Stuttgart zuhauf erzielt hat. Gomez ist immer dann gut, wenn er mit Tempo aus der Tiefe kommen kann, wenn er das Ziel vor sich hat; er ist nicht der kombinationsfreudige Mitspieler wie Klose, der dadurch weit besser in das Spiel der Nationalmannschaft passt. Aber bei den Bayern, die alles andere als eine Kontermannschaft sind, hat Gomez inzwischen bewiesen, dass er über eine gewisse Anpassungsfähigkeit verfügt. „Es scheint, dass ich auf einem guten Weg bin“, sagt er. „Der Bundestrainer hat jetzt die Qual der Wahl zwischen Miro und mir.“ Das ist schon weit mehr, als sich Mario Gomez im März erhoffen durfte.

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