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Marin

© dpa

Marko Marin: Rasender Fortschritt

Nationalspieler Marko Marin will lernen - und er tut dies in einem zum Teil erstaunlichen Tempo.

Marko Marin hatte sich den perfekten Ort und die perfekte Zeit ausgesucht, um vor aller Welt seinen neuesten Lernfortschritt zu demonstrieren: Es war kurz vor Schluss und kurz vor dem eigenen Strafraum, als José Ernesto Sosa mit dem Ball an ihm vorbei ging. Marin aber, der kleine Dribbler von Borussia Mönchengladbach, ließ es nicht damit gut sein, er setzte dem Münchner hinterher, schlidderte mit seinen 1,70 Meter über den Rasen, stibitzte Sosa den Ball vom Fuß und entschärfte damit eine Situation, die das 2:2 der Gladbacher gegen den FC Bayern noch einmal hätte gefährden können. Es war so etwas wie Marins Schlusskommentar zu einer aberwitzigen Diskussion, die sich die Gladbacher zusätzlich zum Abstiegskampf zuletzt noch geleistet hatten.

Die geringste Schuld an der Zuspitzung der Debatte trug Marin selbst. Es war eher so, als hätte man bei dem 19-Jährigen geradezu zwanghaft etwas Negatives gesucht. Natürlich hat er Schwächen, das ist in seinem Alter normal, und sein Defensivverhalten gehört mit Sicherheit dazu. Aber bisweilen hatte es den Anschein, Marins Defensivqualitäten würden an denen eines 1,90 Meter großen italienischen Innenverteidigers gemessen. "Nach hinten muss man arbeiten, das ist klar, aber man darf eben auch nicht die Offensive vernachlässigen", sagt Marin.

Die eigentliche Frage lautet nicht, wie sehr sich ein offensiver Mittelfeldspieler an der Defensive beteiligen muss, die eigentliche Frage lautet: Wie viel Star darf ein 19-Jähriger schon sein? Von Hans Meyer, der Marin in Mönchengladbach jetzt trainiert, ist bekannt, dass ihm das Heldengetue von Fans und Medien seit jeher ein Gräuel ist. Als er vor dem Spiel in Wolfsburg auf Marins Defizite in der Defensive verwies und ihn deshalb auf die Bank setzte, heulte der Boulevard auf: Der macht unser größtes Talent kaputt. Aus einer taktischen Entscheidung wurde ein grundsätzliches Problem konstruiert.

Marin hat den Starkult nicht künstlich befeuert, er ist auch nicht in andere Sphären entschwebt, weil er mit 19 Nationalspieler wurde und im Frühjahr zum vorläufigen deutschen EM-Kader gehörte; genauso wenig ist er an seiner späteren Ausbootung zerbrochen. Marin hat einfach weiter sein Spiel gespielt - nur war das plötzlich nicht mehr genug. Dabei müsste sich eine durchschnittliche Mannschaft wie die der Borussia eigentlich glücklich schätzen, einen solch überdurchschnittlichen Fußballer in den eigenen Reihen zu haben. "Er wird ein Großer werden", sagt Gladbachs Sportdirektor Max Eberl. "Er hat die gewisse Extraqualität." Natürlich weiß das auch Hans Meyer, und deshalb ist der Konflikt, der vielleicht gar keiner war, mit einer lautlosen Verpuffung zu Ende gegangen. "Wenn er aufnimmt, was ihm gesagt wird, braucht uns um seine Karriere nicht bange zu sein", sagt Meyer.

Marin ist alles andere als beratungsresistent. "Ich werde zwar oft kritisiert, und gerade in den Mannschaftsbesprechungen fällt oft mein Name", sagt er, "aber ich hoffe, das hilft mir." Auch heute wird er wieder aufmerksam zuhören, wenn Bundestrainer Joachim Löw seiner Mannschaft noch einmal seine elementaren Verhaltensregeln für ein gedeihliches Miteinander vorstellt. Für das Länderspiel gegen England am Mittwoch in Berlin hat Löw den Gladbacher zum ersten Mal seit Anfang September wieder nominiert - so schlecht kann er also nicht gewesen sein.

Marin will lernen, und er lernt, zum Teil in rasendem Tempo. Vor einer Woche in Bielefeld erzielte er beide Tore zum 2:0 für die Gladbacher. Mehr noch aber war ihm das Bemühen anzumerken, sich wie gefordert in die Defensive einzubringen - mit der Folge, dass er schon vor der Pause nach zwei Fouls kurz vor einem Platzverweis stand. Am Samstag, beim 2:2 gegen die Bayern, attackierte und verteidigte er mit erstaunlichem Geschick. Schon nach fünf Minuten luchste er Christian Lell zum ersten Mal den Ball ab, weil er instinktiv dessen Fehler erahnt hatte. Am Ende des Spiels hatte Marko Marin, der offensive Mittelfeldspieler, 71 Prozent seiner Zweikämpfe gewonnen. Franck Ribéry kam bei den Bayern auf 38.

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