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Sport: Marko Rehmer: Ein Chef für gewisse Stunden

Eine große Zeitung hat ihn mal bezeichnet als einen Mann, "dessen Arbeitsauffassung ihn selten zur Übertretung der Spielregeln zwingt". Marko Rehmer ist ein weitgehend zurückhaltender Zeitgenosse.

Eine große Zeitung hat ihn mal bezeichnet als einen Mann, "dessen Arbeitsauffassung ihn selten zur Übertretung der Spielregeln zwingt". Marko Rehmer ist ein weitgehend zurückhaltender Zeitgenosse. Im Privaten, wie auf dem Fußballfeld. "So, hat das mal einer geschrieben?", fragt er verlegen. Rehmer redet nicht allzu viel und noch weniger über sich. Dabei hätte der Nationalspieler von Hertha BSC einiges zu erzählen. Etwa von seinem Treffer zum 1:0-Sieg über Borussia Dortmund am vergangenen Sonnabend. Immerhin war es ein nicht ganz so unwichtiges Tor in einem nicht ganz so unwichtigen Spiel. Oder vielleicht von der angedrohten Geldstrafe, die er um ein Haar hätte zahlen müssen für ein Tor, das er zuließ. So aber hält sich Hertha hartnäckig in aussichtsreicher Position. Drei Punkte bis zum Tabellenführer Schalke 04, einer bis zum FC Bayern. Und das alles wegen Marko Rehmer.

"Wissen Sie", erzählt Rehmer, "die Vorzeichen wechseln sich in diesem Geschäft sehr schnell ab. Mal bist du der Buhmann, mal ein Held. Wichtig ist, dass man eine gewisse Mitte findet, was soll ich dazu weiter erzählen." Vielleicht davon, wie es sich zwischen den Extremen leben lässt. Nach dem Spiel in Bremen sollte der blonde Berliner zur Strafe einen anständigen Betrag in die Mannschaftskasse zahlen. Herthas Trainer Jürgen Röber hatte ihn anhand von Videoaufzeinungen der Schlafmützigkeit zumindest in einem schweren Fall überführt. Rehmers Sekundenschlaf im Weserstadion hatte nach nur sieben Minuten zum Rückstand geführt, einen Rückstand, der nicht wieder aufgeholt wurde. Vergangenen Sonnabend machte ihn derselbe Jürgen Röber zum Mannschaftskapitän. Des Trainers Begründung geht so: "Marko ist Nationalspieler. Ich wollte ihn zusätzlich in die Verantwortung nehmen."

Doch ganz so schlicht scheint die Sache nicht. Die Wechselabsichten des schnellen Spielers hatten nicht gerade Stürme der Begeisterung ausgelöst in Herthas Führungsetage. Rehmer wollte sich zum Sommer hin einen Kindheitstraum erfüllen und zu Arsenal London wechseln. Vier (!) Monate lang wurde spekuliert. Hertha wusste gar nichts. Erst Mitte März platzte der Transfer. Arsenal hatte kurzfristig einen Rückzieher gemacht. Zurück blieben ein enttäuschter Nationalspieler und eine leicht genervte Führung um Manager Dieter Hoeneß und Trainer Jürgen Röber. Und dann befördern sie diesen Spieler bei der erstbesten Gelegenheit (fiebrige Erkrankung von Michael Preetz). Nicht schlecht.

Am Vormittag vor dem Spiel war der Trainer auf Marko Rehmer zugekommen und hatte ihm gesagt: "Du bist heute mein Kapitän". Rehmer nahm dies gelassen hin wie die Diskussion um die Geldstrafe. Die Mannschaft hatte sich gegen eine ausgesprochen, und damit war auch für Röber "dieser Fall" erledigt. Für Rehmer war es eigentlich nie einer. "Herr Röber ist deswegen nie an mich herangetreten. Und: Nach dem Bremen-Spiel hätte es jeden anderen von uns treffen können. Jeder Spieler macht mal Fehler. Aber vielleicht hat die Diskussion dazu beigetragen, dass wir noch konzentrierter ins Spiel gegangen sind", erzählt Rehmer.

Das wird in den noch ausstehenden Punktspielen nicht weniger wichtig sein. "Es war psychologisch unheimlich wichtig, gegen eine Spitzenmannschaft ein solches Endspiel zu gewinnen", sagte Jürgen Röber. Schließlich hatten die Berliner in sechs Spielen gegen die anderen Spitzenklubs der Bundesliga keinen einzigen Punkt geholt. "Das war eine taktische Meisterleistung. Jetzt kommen noch fünf Endspiele, und wir müssen gegen Schalke da weitermachen", sagt Rehmer. Gegen den Tabellenführer gab es in der Hinserie eine peinliche 0:4-Heimniederlage. "Dieses Video werden wir uns bestimmt nicht mehr angucken. Wir wissen, was wir damals falsch gemacht haben", erzählt der Nationalspieler. Hertha BSC hat von allen ambitionierten Mannschaften das schwerste Restprogramm. "Ich freue mich sogar darauf. Denn wir müssen es ja auch mal so sehen: Mit guten Ergebnissen gegen die direkte Konkurrenz können wir viel mehr bewirken. Ohne, dass wir jetzt irgendetwas übertreiben sollten."

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