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Ironisch-Zuversichtlich: Hertha-Trainer Markus Babbel.

© dapd

Markus Babbel: Die Ruhe in Person

Wenn es um ihn tost und rauscht, läuft Herthas Trainer Markus Babbel zu Höchstform auf – davon profitieren vor allem seine Spieler, auch am Samstag im Heimspiel gegen Mainz.

Dass diese Woche eine gute für Markus Babbel werden würde, eine richtige Markus-Babbel-Woche sozusagen, das hat sich gleich an ihrem Beginn herausgestellt. Der Trainer von Hertha BSC wurde nach seinem verlängerten Wochenende in München noch auf dem Flughafen von einem speziellen Empfangskomitee begrüßt. Eine Boulevardzeitung hatte eigens einen Reporter und einen Fotografen nach Tegel geschickt, um Babbels Rückkehr nach Berlin für die Nachwelt zu dokumentieren. In diesem Augenblick dürfte Herthas Trainer schon geahnt haben, dass er sich nun wieder ein paar Tage mit fachfremden Themen würde herumschlagen müssen: dass es nicht um das Zweikampfverhalten der Spieler gehen würde, sondern um das Freizeitverhalten des Trainers. Babbel blickte etwas verkniffen in die Kamera; in Wirklichkeit aber liebt er solche Situationen. Wenn es um ihn tost und rauscht, wird er die Ruhe in Person. Ja, man hat fast den Eindruck, dass Markus Babbel die allgemeine Erregung geradezu braucht, um seine Höchstform zu erreichen.

„Es ist doch ein schönes Gefühl, wenn man vermisst wird“, hat Babbel zu der verbissenen Diskussion gesagt, ob man sich nach einer 0:4-Niederlage einen zusätzlichen freien Tag bei der Familie genehmigen dürfe. „Besser, als wenn es keine Sau interessiert, ob ich da bin.“

Babbel bricht die allgemeine Erregung gerne mit Selbstironie, er kontert missionarischen Eifer mit bayrischer Gelassenheit. Vermutlich ist diese Ruhe angeboren. Babbel stammt aus dem Münchner Stadtteil Gilching, und Zufall ist es wohl nicht, dass man sich bei ihm manchmal an einen anderen Münchner erinnert fühlt, an einen aus dem Arbeiterviertel Giesing. Wenn bei Babbel die Chance zur Schãße wird, muss man nur die Augen schließen, und man glaubt, Franz Beckenbauer reden zu hören. Auch bei Babbel purzeln die Worte oft schneller, als die Gedanken fliegen können. Eine gewisse Bauernschläue ist beiden sowieso zu eigen; und wie Beckenbauer hat sich auch Babbel eine Aura der Unantastbarkeit zugelegt.

Es ist erst ein paar Wochen her, dass Herthas Trainer zuletzt in die große mediale Erregungsmaschine geraten ist. Vor dem Heimspiel gegen den VfB Stuttgart hatte er in einem Zeitungsinterview die schwäbische Arbeitsethik lobend hervorgehoben, vor allem im Vergleich zum etwas weniger ausgeprägten Eifer der Berliner. Der Aufruhr war groß – laut Babbel jedoch genauso einkalkuliert und erwünscht. Er habe mit seinen Äußerungen von der Mannschaft ablenken, den Druck von ihr fernhalten wollen, behauptete er später. Ob es wirklich so war oder Herthas Trainer seine Gedankenlosigkeit lediglich nachträglich zur perfekten Strategie verbrämt hat, wer weiß das schon?

Es macht eher den Eindruck, dass Babel solche Situationen nicht bewusst provoziert, dass sie ihn aber auch nicht weiter stören. Im Gegenteil. Seine innere Ruhe kommt dadurch nur noch besser zum Tragen. Das war auch in dieser Woche wieder zu beobachten.

Bei der Pressekonferenz vor dem Bundesliga-Heimspiel gegen Mainz wurde Babbel von der jungen Reporterin eines privaten Radiosenders gefragt, ob der FSV Mainz 05 denn nach der Klatsche gegen die Bayern genau der richtige Aufbaugegner für seine Mannschaft sei. Solche Fragen liebt jeder Trainer. Jeder auf seine Weise. Bei Babbel war die Freude echt und förmlich in seinem Gesicht abzulesen. Die Augen fingen an zu leuchten, die Wangen röteten sich. „Als Aufsteiger sind wir natürlich in der Position, dass wir die Überraschungsmannschaft der vergangenen Saison als Aufbaugegner betrachten können“, antwortete er.

Die ironische Brechung ist Babbels Art, dem täglichen Wahnsinn seiner Branche zu trotzen. In den extremen Ausschlägen nach oben und unten, die seine Arbeit in Berlin begleiten, folgt Babbel dem Prinzip der gesunden Mitte. „Der Trainer hat eine klare Linie“, hat Verteidiger Christian Lell in einem Interview mit dem „Kicker“ gesagt. „Er fällt jetzt nicht um, sondern trotzt dem Gegenwind.“

Wenn es nach der Öffentlichkeit gegangen wäre, hätte das 0:4 bei den Bayern Anlass für tiefgreifende Konsequenzen sein müssen – nach der Logik eines Trainers aber würden besondere Maßnahmen die Niederlage nur noch dramatischer machen. Das Publikum fordert neue Gesichter, Maik Franz für Andre Mijatovic, vielleicht auch Fabian Lustenberger für Andreas Ottl. Babbel sagt, es könne sein, dass er personelle Wechsel vornehme, es könne aber auch sein, dass alles so bleibe, wie es war. „Wir haben unseren Weg“, erklärt er. „Solche Spiele wie gegen Bayern müssen auch mal drin sein. Deshalb werden wir nicht in Panik verfallen.“ Straftraining hält er für blinden Aktionismus, der nichts bringe. „Dafür hat die Mannschaft auch einen zu guten Charakter.“

Bei den Spielern kommt diese Botschaft so an, wie sie ankommen soll: Der Trainer besitzt ein Grundvertrauen in sein Team. Gleichzeitig wissen die Spieler aber auch, dass sie dieses Vertrauen nicht über Gebühr strapazieren dürfen. Bisher hat das ausgezeichnet funktioniert. Hertha hat in dieser Saison noch nie zwei Spiele hintereinander verloren.

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