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Sport: Marlene Weingärtner kassiert die Höchststrafe

BERLIN .Bundestrainer Markus Schur war am ersten Tag der 92.

BERLIN .Bundestrainer Markus Schur war am ersten Tag der 92.Internationalen Tennismeisterschaften von Deutschland für Damen schon vor dem ersten Ballwechsel ein gefragter Mann.Denn die internationalen Topstars machten sich auf den sechs Plätzen beim gastgebenden LTTC Rot-Weiß im Grunewald ausgesprochen rar.Nur drei von 16 gesetzten Spielerinnen waren im Einsatz.Und abgesehen von der Vorjahressiegerin Conchita Martinez (Spanien) mit Barbara Schett (Österreich) und Irina Spirlea (Rumänien) nicht gerade die Publikumsrenner.Das deutsche Kontingent aber ist in diesem Jahr mit insgesamt zehn Spielerinnen im Hauptfeld so umfangreich wie selten in den letzten Jahren.Im Vorjahr beschränkte sich das Daumendrücken für Interessenvertreterinnen des Deutschen Tennis Bundes (DTB) auf gerade mal drei.Immerhin freute sich Bundestrainer Schur über den 6:4, 7:6 (7:3)-Auftakterfolg der Bielefelderin Julia Abe gegen Tatjana Panowa (Rußland).

Daß Masse nicht gleichbedeutend mit Klasse sein muß, machte der Auftritt der einzigen Rot-Weißen im Feld deutlich.Marlene Weingärtner unterlag Anna Smashnova nach rund 50 Minuten 0:6, 0:6.Sie hat eine "Brille bekommen", sagt man in Tenniskreisen zu solch einer Pleite.Die aus dem einstigen Bereich der Sowjetstaaten nach Israel ausgewanderte Smashnova, derzeit auf der 39.Position der Weltrangliste, agierte so, wie es der deutsche Fedcup-Chef Schur vorhergesagt hatte: alle Bälle zurückbringend, laufstark, sehr ballsicher.Die 19jährige Berlinerin hatte nicht die Spur einer Chance.

Allerdings hatte sich auch eine Schulterverletzung bei der Nummer 73 der Welt mit Hauptwohnsitz Leimen eingestellt.Deswegen mußte sie auch auf den Fedcup-Einsatz vor zwei Wochen in Hamburg gegen Japan verzichten.Doch ihre offenkundige Vorsicht beim Aufschlag zeigte, daß die Schulter wohl noch nicht eine volle Belastung aushält.Auch nahm die Wahl-Berlinerin während der Partie Tabletten ein.

DTB-Coach Schur bestätigte diese Eindrücke: "Marlene schien mir gehandikapt.Sie wirkte zudem spielerisch ideenlos und gehemmt.Ich habe noch nicht mit ihr sprechen können, glaube aber, daß sie zu früh in das Turniertennis zurückgekehrt ist."

Eine sicherlich bittere Angelegenheit für die junge Deutsche, die im Konzept des Bundestrainers ihren Platz hat, die zweite Reihe hinter Graf/Huber international nach vorn zu bringen.Sandra Nacuk dagegen konnte in einem harten Match nach 6:3, 4:6, 6:3 über die Ukrainerin Jelena Tatarkowa den Court als Siegerin verlassen.Eigentlich ein Grund zu ausgemachter Freude für eine 18jährige, die erst über die Qualifikation und als Nummer 102 der Welt den Sprung auf die große Bühne des Tennissports, diesmal bei den German Open, geschafft hat.Denn die Blondine wird heute die Ehre haben, auf dem Centre Court gegen die neunmalige Berlin-Siegerin und Rekord-Nummer eins der Welt, Steffi Graf, anzutreten.

Doch so rechte Freude mochte sich bei Sandra Nacuk nicht einstellen.Jeden Tag telefoniert sie mit den Eltern, daheim in Novisad.Dort, wo seit Wochen die Bomben fallen."Ich telefoniere täglich mit den Eltern und hoffe, daß so schnell wie möglich das Bomben aufhört." Zusammen mit ihrem acht Jahre älteren Bruder ist sie vor dem Fall der Nato-Bomben vor zwei Monaten weg von zuhause."Erst waren wir vier Wochen zu Training und Wettkämpfen in den USA, dann auf Turnieren in Europa." Nach dem Auftritt in Berlin will sie bei den French Open in Paris antreten und nach Novisad erst zurückkehren, "wenn der Krieg ein Ende hat".Sie hat als Siebenjährige im gleichen Tennisklub wie einst ihr Vorbild Monica Seles angefangen, deren Haus nur 200 Meter von dem ihrer Eltern stand.Gegen Steffi Graf, die heute ihr 1000.Spiel auf der WTA-Tour bestreitet (887 Siege/112 Niederlagen bisher) und für Nacuk "der große Star aus dem Fernsehen" war, will sie heute "nicht an den Krieg denken" und sich nur auf das Spiel mit einem Tennisball über ein Netz konzentrieren.Mal sehen, wie ihr das gelingt.

ERNST PODESWA

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