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Sport: Massenstart

Ausgebuchte Hotels, hohe Einschaltquoten, vergriffene Tickets – vor der WM in Oberhof boomt Biathlon

Berlin. Tausende von Menschen dachten am 1. Juli an den Winter. An diesem Tag begann der Kartenvorverkauf für die Biathlon-Weltmeisterschaft in Oberhof, die morgen eröffnet wird. Die Biathlon-Fans hatten diesen Augenblick herbeigesehnt – innerhalb weniger Stunden gingen über zweitausend Bestellungen ein, über die Telefonhotline und das Internet. Doch beides war nicht miteinander vernetzt. Chaos brach aus.

Dass ausgerechnet den Organisatoren in Oberhof solch ein Fehler unterläuft, ist erstaunlich. Schließlich boomt Biathlon dort besonders: Jährlich reisen zum Weltcup Enthusiasten aus ganz Deutschland an, stehen singend im Stadion und halten sich mit Glühwein warm. Insgesamt rund 250 000 Zuschauer werden die WM in der Rennsteig-Arena live erleben, die Gästebetten sind seit Monaten ausgebucht. Die übertragenden Fernsehsender versprechen sich hohe Quoten. „Biathlon hat für uns einen wahnsinnig hohen Stellenwert. Mit Skispringen ist es für uns die erfolgreichste Wintersportart“, heißt es bei der Sport-Koordination der ARD. Sonntags sitzen beim Biathlon oft über vier Millionen Fans vor dem Fernseher. In der Saison 2002/03 sahen im Schnitt 2,75 Millionen Zuschauer – 600 000 mehr als ein Jahr zuvor – die Übertragungen in der ARD. Beim Skispringen waren es 3,68 Millionen Fans, beim Ski alpin 1,62 Millionen.

Drei Gründe für die gewachsene Popularität von Biathlon sieht Unternehmensberater Stephan Peplies, der Andrea Henkel und Martina Glagow aus dem aktuellen WM-Kader betreut: „Die maßgebliche Weichenstellung kam vom internationalen Verband, der neue, publikumswirksame Wettkampfformen eingeführt hat. Das wird vom Fernsehen gespiegelt. Dazu kommt der Erfolg der deutschen Athleten.“ Seit einigen Jahren sind Verfolgungsrennen und Massenstart-Rennen neu im Programm. Beim Sprint werden die Läufer im Abstand von 30 oder 60 Sekunden in die Loipe geschickt. Wer der Gesamtführende ist, lässt sich nur durch den ständigen Blick auf die Anzeigetafel erkennen. Beim Massenstart hingegen beginnen die Athleten gemeinsam. Wer als Erster die Ziellinie überquert ist tatsächlich der Sieger. Gleiches gilt für das Verfolgungsrennen, bei dem die Teilnehmer in der Reihenfolge des vorangegangenen Wettbewerbs starten. Der Sieger geht mit einem Zeitvorsprung ins Rennen und wird von der Konkurrenz gejagt.

Ein Plus für Biathlon ist, dass es eine sehr spannende Sportart ist. Durch Fehlschüsse kann sich die Reihenfolge schnell völlig verändern. Spätestens seit den Olympischen Spielen 2002 hat Biathlon hierzulande seine Stars – Goldmedaillengewinnerin Kati Wilhelm etwa, deren rote Haare zum Markenzeichen geworden sind. Der Werbewert ist deutlich gestiegen. Sechs Werbeflächen hat ein Biathlet auf Gewehr und Mütze zur Verfügung. „Eine Fläche, die im Fernsehen gut zu sehen ist, bringt pro Saison 40 000 bis 60 000 Euro. Vor vier Jahren waren es 20 000 bis 30 000 Mark“, sagt Peplies. Mittlerweile hat Andrea Henkel, die nach ihrem Olympiasieg 2000 als spröde und deshalb schwer vermittelbar galt, einen eigenen Werbespot im Fernsehen, für ein Multivitaminpräparat.

Bei der WM wird sie aufgrund schwacher Leistungen zunächst nur Zuschauerin sein. Andere werden durch die Loipe rennen, dicht an den Fans vorbei. „Die schreien einem ins Ohr, dass es weh tut“, sagt Martina Glagow, eine der Favoritinnen. Schmerzende Ohren – ein Tribut an den Ruhm. Wer im Juli beim Kartenchaos von Oberhof kein Ticket ergattern konnte, kann jetzt erneut im Internet sein Glück versuchen. Beim Auktionshaus Ebay ersteigerte ein Fan gestern zwei Karten, die ursprünglich zehn Euro pro Stück kosteten – für zusammen 3,99 Euro.

Helen Ruwald

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