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Higgins

© AFP

Snooker: Mehr Action an den Taschen

Vor der WM am Samstag diskutiert die Snookerszene die Reformpläne des neuen Präsidenten Barry Hearn.

Berlin - Die Uhr tickt gnadenlos gegen null, ein schrilles Piepen signalisiert dem amtierenden Weltmeister John Higgins, dass ihm nur noch fünf Sekunden bleiben, um abzuschließen. Die Rede ist nicht von Basketball, wo einem Team 24 Sekunden für einen Angriff zur Verfügung stehen: Es geht um Snooker.

In der Snooker Premier League ist eine solche Shot-Clock schon an der Tagesordnung, und wahrscheinlich müssen sich alle Spieler ab der kommenden Saison an den Kampf gegen die Zeit gewöhnen. Die ablaufende Uhr ist nur eine von vielen Neuerungen mit denen Barry Hearn – seit Dezember letzten Jahres neuer Präsident der WPBSA (World Professional Billiards and Snooker Association) – den Snookersport künftig reformieren will.

Am Samstag startet traditionsgemäß im Crucible Theatre in Sheffield die Weltmeisterschaft, bei der der Snookerpräsident sein Reformkonzept präsentieren will. Hearn, der bereits Formate wie die Snooker Premier League und Champions League eingeführt hat und dort einige seiner Innovationen – wie die 25-Sekunden-Shot-Clock – erprobt, will der vor 130 Jahren von britischen Kolonialoffizieren erfundenen Billardvariante mehr Tempo verleihen, um die Telegenität der Sportart und dadurch auch Vermarktungschancen zu erhöhen.

In jüngster Vergangenheit verhalf der Besitzer der Promotionfirma „Matchroom Sport“ Randsportarten wie Poker, Bowling und sogar Angeln zu kommerziellen Erfolgen und kommentierte seinen Amtsantritt gegenüber BBC Sport als „Beginn einer neuen Ära im Snooker“. Seit dem Boom der Jahre 2004 und 2005, als der Spartensender Eurosport und der Snookerkommentator Rolf Kalb Snooker in deutsche Wohnzimmer brachten, gewann der Sport besonders in Deutschland an Aufmerksamkeit. Dieser Trend stagnierte jedoch in den vergangenen Jahren, wohl auch bedingt durch den konkurrierenden Pokerboom, weshalb sich mehr und mehr Sponsoren aus dem Snooker zurückzogen. Zwar sind Turniere durchaus gut dotiert – der Sieger in Sheffield erhält 250 000 Pfund – dennoch stellt Snookerlegende Steve Davis gegenüber der Internetseite „BBC Sport“ fest: „Die Preisgelder sind nicht gerade explodiert.“ Auch die Main-Tour, die alle Weltranglistenturniere umfasst, litt unter den sinkenden Sponsorenzahlen der vergangenen Jahre und schrumpfte. Nur noch sechs Ranglistenturniere sind verblieben.

Auch den Zeitplan der Saison kritisiert Davis. „Spieler schauen während eines Turniers auf ihren Kalender und denken sich, wenn ich mein nächstes Spiel nicht gewinne, dann ist das Nächste erst wieder in zwei Monaten“, sagt der Snookerprofi. Auch deshalb beabsichtigt Hearn, die Main-Tour auf mehr als 20 Turniere auszudehnen und neue TV-Formate wie ein One-Frame-Shoot-Out, bei dem die besten 64 Spieler der Welt in K.o.-Spielen von nur einem Frame Länge und unter dem Druck der Shot-Clock um attraktive Preise spielen sollen.

Außerdem sollen mehr Qualifikationsturniere für Amateure in den Turnierplan eingebunden werden. Deutschland soll ebenfalls ein Weltranglistenturnier erhalten und ist fester Bestandteil der Expansionspläne von Snookerpräsident Hearn, in denen auch die aufstrebende Snookernation China eine Rolle spielen dürfte.

Eigentlich schätzen die Fans Taktik, Feingefühl und Fairness im Snooker und genießen die Verbindung von Ruhe und Dramaturgie. Dennoch scheint die Randsportart die erhoffte Resonanz nicht generieren zu können. Hearn erhält mit seinen Plänen viel Zuspruch aus dem Spielerlager und besitzt dort namhafte Fürsprecher wie eben Higgins und Davis oder auch Ronnie O’Sullivan.

„Ich bin sicher, Barry wird dem Snooker wieder Leben einhauchen“, sagte Higgins. Nicht unbegründet, denn Dart gelang unter Hearn der Aufstieg vom Kneipensport zum Großevent, bei dem Tausende gröhlende Dart-Fans regelmäßig die Hallen füllen. Einmarschmusik und neue Spieler-Spitznamen sollen nun auch Snooker ein solches Stimmungsbild bescheren und es attraktiver machen.

Am 5. Mai werden die Spieler über Hearns Konzept abstimmen. Dieser hat, für den Fall, dass die Spieler nicht zustimmen sollten, bereits mit Rücktritt gedroht.

Kevin Bornfleth

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