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Sport: Mehr als Champions

Bei der Berliner Sportlergala erhalten Natascha Keller und Sven Felski den Ehrenpreis für ihre Karrieren.

Berlin - Erst mal eine rauchen. Sven Felski klopft seinem neuen Kumpel auf die Schulter, dann geht’s vorbei am Buffet, einmal quer durchs Foyer bis vor die Tür. Der Vorteil am Leben eines Exprofis ist, dass er nicht mehr ganz so profigerecht leben muss. Kein Widerspruch vom neuen Kumpel. Die alten Kollegen sind gerade von einer Auswärtsreise zurückgekommen. War ein bisschen kompliziert, mit Bahnchaos in Dortmund, und die Laune der Berliner Eisbären ist nach der 3:4-Niederlage in Iserlohn auch nicht die allerbeste. Sven Felski war oft genug in Iserlohn und Hannover und Mannheim oder Krefeld, irgendwie müssen tausend Spiele in der Deutschen Eishockey-Liga ja zusammenkommen. Drinnen grölt Campino vom Band „An Tagen wie diesen“, und Sven Felski findet: An Abenden wie diesem verschneiten Samstag vor der Lobby des Hotel Estrel ist das mit dem Aufhören gar keine so schlechte Sache.

Es ist kein ganz gewöhnlicher Abend. Gefeiert wird die Gala der Champions des Jahres. Robert Harting, Daniela Schulte, Don Jackson und seine Eisbären – alles verdiente und großartige Repräsentanten des Berliner Sports. Aber an diesem Abend stehen sie im Schatten zweier Persönlichkeiten, deren Karriere gerade zu Ende gegangen ist oder zu Ende geht. Die Helden des Abends heißen Natascha Keller, 35, und Sven Felski, 38.

Die eine kommt aus dem westlichsten Westen, der andere aus dem östlichsten Osten, und dass Westen und Osten im Berlin des dritten Jahrtausends nur noch als Himmelsrichtungen wahrgenommen werden, ist ein schwer zu bestreitendes Verdienst des Sports. Auch dafür werden Natascha Keller und Sven Felski inmitten der Champions mit Ehrenpreisen bedacht.

Andreas Keller bekommt das Mikrofon. Er zählte mal zu den besten Hockeyspielern der Welt und hat bei Olympischen Spielen Gold, Silber und Bronze gewonnen. „Aber einen Ehrenpreis habe ich nie bekommen“, sagt er in gespielter Irritation zu seinem Bruder Florian, auch er steht als Olympiasieger für die berühmteste Hockey-Familie der Welt. Andreas und Florian Keller halten im Dialog die Laudatio auf ihre Schwester. Fünf amüsante Minuten lang rätseln die beiden, wofür Natascha Keller denn diesen Ehrenpreis ihrer Karriere erhält. Für ihre karrierelange und mit zehn deutschen Meisterschaften dokumentierte Treue zum Berliner HC? Die Teilnahme an fünf Olympischen Spielen, die Goldmedaille von 2004 oder ihre Rolle als Fahnenträgerin vor ein paar Monaten in London?

Am Ende sagt Florian Keller: „Wahrscheinlich bekommt sie den Preis, weil sie bei allen Erfolgen immer so bescheiden und auf dem Teppich geblieben ist.“ Natascha Keller hätte als Tennisspielerin Karriere machen können, „aber ich habe schon als Kind im Wohnzimmer Hockey gespielt“, da kam nichts anderes infrage, und dass sie damit nicht reich geworden ist – sei’s drum. Die Brüder verneigen sich und rufen in den Saal: „Taschi, wir sind stolz auf dich!“ Dafür gibt es später ein indirektes Kompliment des Füchse-Präsidenten Frank Steffel: „Liebe Natascha, auf diese Brüder darfst du genauso stolz sein wie auf deine sportlichen Erfolge.“ So viel ungeteilten Zuspruch wie im Estrel erfährt der CDU-Mann Steffel nach seinen Redebeiträgen im Bundestag eher selten.

Natascha Keller wird noch ein bisschen weiterspielen, was Sven Felski wegen des lädierten Knies nicht mehr möglich ist. Weil er vor ein paar Wochen unter höchster öffentlicher Anteilnahme zurückgetreten ist, sind die Nachrufe auf sein Lebenswerk in Hohenschönhausen noch in allgemeiner Erinnerung. Egal, noch mal. Also erzählt der in eisigen Ehren ergraute Trainer Hartmut Nickel, wie er den kleinen Sven früher „mit Tricks wie bei James Bond“ von den Eiskunstläufern abgeworben hat, „war gar nicht so einfach, aber wir haben uns den Sven einfach gemopst“.

Die Geschichte geht ein bisschen anders, aber an diesem Abend ist kein Platz für Spitzfindigkeiten. Es war ja nicht so, dass da ein angehender Eiskunstlaufprinz hinterlistig abgeworben wurde. Der Kollege Eiskunstlauftrainer hat Felski damals gesagt, er solle sich besser eine andere Sportart suchen. Die Kringel waren nicht so sein Ding, aber er konnte immerhin Schlittschuh laufen. Felskis Vater war Eishockeyfan und machte sich dafür stark, dass der Sohn auf dem Eis bleiben durfte.

Das Ende der Geschichte ist bekannt. Wenn es stimmt, was der Chef vom Fanshop sagt, bestreiten die Eisbären auch in der ersten Saison nach Felski ihr Merchandising zu 85 Prozent mit Trikots mit der Nummer 11. Als kleines Dankeschön überreicht der Chef vom Fanshop seinem Umsatzgaranten einen Buddybären im Eisbären-Outfit, selbstverständlich mit der Nummer 11. Hmmm, sagt Felski, „irgendwo werde ich zu Hause schon einen Platz finden für den Kumpel“. Für den Rest des Abends aber wird der neue Kumpel abgestellt am Tisch im Bankettsaal. Felski hat zu tun. Erst mal eine rauchen.

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