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Sport: Mehr als ein Tor

Luizao trifft zum ersten Mal für Hertha BSC – doch jetzt fehlt er mindestens zwei Wochen wegen einer Verletzung

Berlin. Arne Friedrich gab sich widerspenstig. Als seine Kollegen an ihm vorbeirauschten, trottete er gemütlich in seine bevorzugte Umgebung zurück. In diesem Moment muss er sich vorgekommen sein wie ein Geisterfahrer auf der A 1 zwischen Münster und Osnabrück. Bis auf Torhüter Gabor Kiraly war Herthas gesamte Besetzung in des Gegners Hälfte gerannt, um einen besonderen Augenblick zu feiern. Luiz Carlos Goulart, besser bekannt als Luizao, hatte gerade ein Tor für den Berliner Fußball-Bundesligisten erzielt. Das 4:0 gegen Apoel Nikosia war kein besonders wichtiges Tor für die Mannschaft; aber es war ein wichtiges Tor für Luizao.

Seit mehr als drei Monaten lebt und arbeitet der Brasilianer in Berlin. Er war als Weltmeister gekommen, und er sollte so etwas wie der lebende Beweis dafür sein, dass Hertha BSC, der Klub aus der Hauptstadt, inzwischen in anderen, in größeren Dimensionen denkt. Luizao, der Stürmer der brasilianischen Weltmeisterelf, war Herthas Mitgliedern Ende Juli mit einigem Brimborium als neue Attraktion präsentiert worden. Zur 110-Jahr-Feier des Vereins war er in einer schwarzen Stretchlimousine vorgefahren worden – wie ein internationaler Filmstar. Doch bis zum Donnerstagabend dauerte es, ehe Luizao, der Stürmer, sein erstes Tor für Hertha erzielte. Sein zwölfter Einsatz war es, aber die meisten endeten vorzeitig oder fingen mit Verspätung an, wie auch gegen Nikosia, als Luizao erst zur Halbzeit eingewechselt wurde. Als er 20 Minuten später zum 4:0-Endstand traf, lagen 572 Minuten ohne Tor hinter ihm: neuneinhalb Stunden. „Es war ein Befreiungsschlag für ihn“, sagte Trainer Huub Stevens. Und am Ende des Satzes hob er die Stimme, um „ihn“ zu betonen.

Es war aber auch eine Befreiung für die Mannschaft, deren Mitglieder zuletzt häufiger geklagt hatten, dass ihnen ein fußballerisches Erweckungserlebnis fehle, ein 3:0 oder 4:0. Das Ergebnis gegen die Zyprer hätte sogar noch deutlicher ausfallen können. Allein zwölf gute Gelegenheiten besaßen die Herthaner. Stefan Beinlich beschwichtigte zwar, dass Nikosia allenfalls „eine gute Drittligamannschaft“ gewesen sei. Aber Hertha hat es in dieser Saison immerhin geschafft, gegen Holstein Kiel aus dem DFB-Pokal auszuscheiden – gegen eine schlechte Drittligamannschaft. Beinlich fand das Ergebnis daher „schon ganz gut“, und Manager Dieter Hoeneß sagte: „Ich glaube schon, dass das der Auftakt von mehr ist.“

Das gilt für die Mannschaft wie auch für Luizao, und vielleicht liegt das daran, dass Luizao so etwas wie die Personifizierung von Herthas Dilemma gewesen ist: Die Erwartungen waren hoch, aber in den entscheidenden Augenblicken hat es immer geklemmt. So schien es für den Brasilianer zunächst auch weiterzugehen, als er gegen Nikosia eingewechselt wurde. Luizao hatte eher seinen Gegner gefoult als den Ball berührt. Und weil er offensichtlich die falschen Stollen unter den Sohlen hatte, rutschte er teilweise recht tollpatschig über den Rasen. Von all dem war hinterher keine Rede mehr, weil Marcelinho in einem Moment des Mitleids zu Luizao passte, anstatt selbst aufs Tor zu schießen. „Einen echten Freundschaftsdienst“ nannte Manager Dieter Hoeneß Marcelinhos Aktion, die das erste Tor seines Landsmannes möglich machte. „Ich glaube, dass jeder ihm das gegönnt hat“, sagte Hoeneß.

Die kollektive Glückwunschadresse der Kollegen war nicht abgesprochen, sondern entsprang spontaner Freude. „Wir wollten ihm zeigen, dass die Truppe hinter ihm steht“, sagte Beinlich. Die Spieler haben instinktiv gespürt, welche Bedeutung das Tor für Luizao hatte. Aber auch für die Mannschaft selbst. Denn wenn Luizao für Herthas Dilemma stand, dann müsste sein Erfolgserlebnis jetzt auch ein Zeichen für einen dauerhaften Aufschwung sein. Allerdings dauerte die Hochstimmung des Stürmers nicht einmal zehn Minuten. Bei einem Zweikampf zog er sich eine tiefe Fleischwunde an der Wade zu, Luizao musste ausgewechselt werden und wurde noch in der Nacht im Krankenhaus operiert. Vermutlich fehlt er zwei Wochen. Für Herthas Trainer Stevens sind solche Rückschläge nichts Neues. „Das muss man wegstecken“, sagt er. Die Frage ist nur, „wie Luizao da wieder durchkommt“.

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