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Sport: Mehr Gosse

Nach dem Verlust seines Weltmeistertitels boxt Wladimir Klitschko heute mit veränderter Mentalität

München. Wladimir Klitschko ist ein schöner, starker Mann. Die Kinder lachen, wenn sie wie beim Dreh für einen Werbespot an ihm hängen. Die Brasilianer staunen, wenn er als Unesco-Botschafter am Strand von Rio den Komödianten mimt und Zauberkunststücke vorführt. Und Julia Roberts lächelt am Set, wenn sie den Hünen betrachtet, der eine kleine Rolle in dem Film „Ocean’s Eleven“ spielt. Wo immer Wladimir Klitschko auftritt, fliegen ihm die Herzen zu. Nur leider flogen ihm neulich auch harte Fäuste an den Kopf. Es waren die Fäuste von Corrie Sanders. Der Hobbyboxer aus Südafrika hatte den Box-Apoll aus Kiew innerhalb von 207 Sekunden mehrfach auf die Bretter geschickt und ihm den Weltmeistergürtel abgenommen. Ein halbes Jahr ist seitdem vergangen. Heute (23 Uhr, live im ZDF) steigt Wladimir Klitschko in München wieder in den Ring, diesmal gegen den Argentinier Fabio Moli. Es soll ein anderer Klitschko sein.

Nach der unerwarteten K.-o.-Niederlage stellen sich vor dem Comeback viele Fragen. Wie hat der 27-Jährige das schmerzhafte Erlebnis verarbeitet? Hat er gelernt aus seinen Fehlern? Wird er stärker sein als zuvor? „Man darf sich vorher nicht so sicher sein, dass man gewinnt“, sagte der ehemalige Schwergewichtsweltmeister George Foreman. „Bei uns in Amerika heißt es, ein Champion muss hart schlagen können, er muss aber auch harte Schläge einstecken können.“

Beispielloses Talent

Wladimir Klitschko verfügt über ein beispielloses boxerisches Talent. Doch hat er sich darauf zu sehr verlassen. „Wladimir will die Aufgaben im Ring boxerisch lösen“, sagt sein Trainer Fritz Sdunek. Doch es gehört mehr dazu. Als sein fünf Jahre älterer Bruder Witali im Juni gegen Lennox Lewis boxte, saß Wladimir in Los Angeles am Ring. Zwischen Lewis und seinem Bruder hatte sich eine wilde Keilerei entwickelt. Wladimir musste mehrmals schlucken. Vermutlich hat er sich gefragt, ob auch er solche Phasen durchstehen könne. Der Kampf wurde nach sechs Runden wegen mehrerer tiefer Risswunden im Gesicht Witalis abgebrochen.

„Wladimir ist härter geworden“, sagt Trainer Fritz Sdunek. Auf dem Papier ist Klitschko Favorit. „Er ist ein Monster, ich werde es sehr schwer haben“, sagte Fabio Moli. Der Argentinier ist sieben Jahre älter und hat 29 seiner 33 Profikämpfe gewonnen, 17 davon vorzeitig. Klitschko hat in 42 Kämpfen zweimal verloren. 37 Gegner knockte er aus. „Ich werde mein Bestes geben, das ist die einzige Prognose, die ich abgebe“, sagt Klitschko.

Ein ungewöhnlicher Weg

Nach der Niederlage gegen Sanders schlug Klitschko einen ungewöhnlichen Weg ein. Einen qualvollen. Er sah sich das Video vom Kampf mehrmals an. „Ich musste diese Bilder einfach sehen, um zu erkennen, zu verstehen, was ich falsch gemacht habe“, erzählte Klitschko während der Tage im Trainingslager in Kitzbühel, wo er sich vier Wochen lang auf den Kampf vorbereitet hat. „Plötzlich ging Wladimir auf den Golfplatz“, erzählt Christoph Rybarczyk, Sprecher der Universum Box-Promotion, bei der Klitschko unter Vertrag steht. Der Grund war Sanders. Dieser hatte sein Geld in erster Linie mit Golfen (Handicap 1) verdient. „Er hat sich mit seinem Bezwinger beschäftigt. Er wollte herausfinden, wie einer tickt, der gar kein richtiger Boxer ist, der nicht aussieht wie ein K.-o.-Schläger, aber dem es gelungen war, ihn derart zu demütigen.“

In Los Angeles, der zweiten Wahlheimat neben Hamburg, hat er Freddie Roach kennen gelernt. Roach trainierte früher mal Mike Tyson. Klitschko fragte im Juni bei Roach an, ob er sich seiner annehmen könne. Er soll Klitschkos Mentalität schärfen. „Roach hat viele komplizierte Boxer betreut, die lange nicht so kultiviert sind“, sagt Rybarczyk, „er hat Wladimir klar gemacht, dass er ein bisschen etwas von der Einstellung derer braucht, die aus der Gosse kommen.“

Wladimir Klitschkos Zukunft war vorgezeichnet. Er galt als Nachfolger von Lennox Lewis. Es schien nur eine Frage der Zeit, wann der Prinz des Schwergewichts auf den Thron steigen würde. Seine Karriere war ausgerichtet auf den profitträchtigen US-Markt. „Bis zu dieser Niederlage war ich das unbesiegbare Talent, der aufgehende Star“, erzählt Klitschko. Er sei sich sicher, dass ihm so etwas wie gegen Sanders nicht wieder passieren wird. Man dürfe Fehler machen, „aber nicht die entscheidenden“, sagt Klitschko. „Noch eine Niederlage und ich hätte meine sportliche Zukunft hinter mir. Dann habe ich nichts mehr im Sport zu suchen.“

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