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Sport: Mehr – und doch weniger

BAT und Berliner Anwendungstarifvertrag im Clinch

Beschäftigungssicherung und Zeit gegen Geld – so ließ sich der Deal zwischen Gewerkschaften und Berliner Senat im Tarifstreit 2003 auf einen Nenner bringen. Für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst bedeutete das: Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen bis 2009, durchschnittlich zehn Prozent weniger Arbeit, aber auch entsprechend weniger Geld.

Seither enthalten viele Berliner Arbeitsverträge ein kleines Kuriosum: Trotz tariflich vereinbarter Gehalts- und Arbeitszeitverkürzung im „Berliner Anwendungstarifvertrag“ nehmen die Verträge auf eine Regelung Bezug, die eigentlich Gehaltssteigerungen vorsieht: den „Bundesangestellten-Tarifvertrag“ BAT. 2,4 Prozent mehr Gehalt bekommen Beschäftigte laut BAT ab Januar 2003, ein weiteres Prozent ab Januar 2004 und noch ein Prozent ab Mai 2004. Doch kommt der Geldsegen auch dann, wenn Arbeitgeber und Arbeitnehmer an die Berliner Tarifregelung gebunden sind?

Die Antwort wird dem tarifgebundenen Arbeitnehmer nicht gefallen: Zwar erhöht sich sein Gehalt zunächst entsprechend BAT um insgesamt 4,4 Prozent. In einem zweiten Schritt wird er aber die in Berlin beschlossene Arbeitszeitverkürzung nebst Vergütungsabsenkung hinnehmen müssen. Für Nicht-Gewerkschaftsmitglieder im Dienst des Landes Berlin gilt im Prinzip das Gleiche. Sie unterliegen zwar nicht der Tarifbindung. Doch das Land kann grundsätzlich alle im öffentlichen Dienst Beschäftigten entsprechend der abgeschlossenen Tarifverträge gleich behandeln.

Was gilt aber außerhalb des öffentlichen Dienstes? Unternehmen, die selbst keinen Tarifvertrag abgeschlossen haben und auch keinem vertragsschließenden Arbeitgeberverband angehören, können Arbeitszeit und Vergütung ihrer Angestellten im Rahmen des gesetzlich Zulässigen grundsätzlich frei regeln. Sie können individuelle Abreden treffen oder die Geltung tariflicher Regelungen vereinbaren – wahlweise zum Beispiel BAT oder Berliner Anwendungstarifvertrag.

Bei unklaren Formulierungen entscheidet im Streitfall die Vertragsauslegung darüber, was die Parteien vermutlich bezwecken wollten. Einen Zweifelsfall hat das Bundesarbeitsgericht allerdings schon zugunsten des Arbeitnehmers entschieden: Heißt es im Vertrag, die Vergütung solle „in Anlehnung an den BAT“ erfolgen, ist in der Regel auch eine Vergütungsanpassung gewollt (Urteil vom 13. November 2002 – AZ: 4 AZR 351/01). Eine Absenkung der Vergütung und eine entsprechende Verkürzung der Arbeitszeit ist dann in der Regel ausgeschlossen.

Gelingt es dem Arbeitgeber, die Geltung des Berliner Tarifvertrages durchzusetzen, bleibt dem Beschäftigten ein Trost. Nicht nur die arbeitgeberfreundlichen Klauseln müssen beachtet werden, sondern auch all jene, die den Arbeitnehmer begünstigen. Das bedeutet vor allem: Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen bis 2009.

Der Autor ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Berliner Kanzlei Klemm, Schulz und Stähle.

Klaus Stähle

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